Kurzkritik:Coolness der Hohepriesterin

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Rapperin Little Simz verzückt ihre Fans im Ampere

Von Anna Weiss, München

Es gibt die Theorie, dass richtig gute Konzerte wie Gottesdienste sind, in denen die Musiker ihr Publikum auf eine höhere Ebene befördern und sie zum ekstatischen Feiern bringen. Möchte man sich auf diese Theorie berufen, dann ist Simbiatu Ajikawo alias Little Simz die Hohepriesterin des Flow, die am Montag die Rap-Gemeinde begeisterte. Im ausverkauften Ampere ließ die Londonerin mit nigerianischen Wurzeln keinen Zweifel daran, dass sie eine der wichtigsten Künstlerinnen im Rap ist, was sie gleich zu Beginn des Konzerts mit dem mit einem Megafon vorgetragenen Song "Boss" klarstellte.

Ajikawo, begleitet von zwei Musikern und selbst mal an der Gitarre, mal an den Bongos, steigert sich nach der Eröffnung mit jedem ihrer Stücke, die sie mit einem beeindruckenden Rhythmus und einer unanfechtbaren Coolness vortrug. Diese macht nach den Songs Platz für ein breites, glückliches Lächeln, das dem ihr wohlgesonnenen Publikum viel gibt. Bei all der krassen Attitude - Little Simz wirkt so, als könnte sie mit einer nachlässigen Handbewegung eine Gruppe Gangster-Rapper in Ohnmacht fallen lassen - und den oft aggressiven Zeilen, sind ihre Songs Stücke, in denen eine junge Frau ihr Leben mit sich selbst und der Gesellschaft verhandelt.

Zwischendurch gibt es aber auch Momente, in denen die 25-Jährige sich verletzlich zeigt. Liebe, Rassismus, die Probleme des Künstlerdaseins, das alles findet sich in ihren älteren Werken und auch in ihrem aktuellen Album "Grey Area", das als ihr bisher bestes gilt und ihr international viel Gehör verschafft hat. Stücke wie "Venom", schnell und unfassbar präzise gerappt, voller schlagfertiger Wut, und "Sherbet Sunset", das eine tiefe Verletzung in schneidend scharfen Strophen und einem melancholisch-souligen Refrain verarbeitet, rechtfertigen diesen Ruhm. Das heterogene Publikum, mit dem Little Simz während des gesamten Konzerts interagiert hat, kann sein Glück kaum fassen, als die Künstlerin in die pogende Menge vor der Bühne springt. Amen.

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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