Kunst:Neue Heimat für alte Schätze

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Die Sanierungsarbeiten in der Neuen Pinakothek werden vermutlich bis weit über das Jahr 2025 hinaus dauern. Einige der großartigen Bilder können bis Ende Juli 2020 in der Alten Pinakothek und in der Sammlung Schack besichtigt werden

Von Evelyn Vogel

Mehr als ein halbes Jahr mussten Freunde der Kunst des 19. Jahrhunderts auf alles verzichten, was ihnen die Neue Pinakothek üblicherweise zu bieten hat. So lange ist das Museum wegen der anstehenden Generalsanierung schon geschlossen. Mittlerweile ist klar, dass die Sanierung des von Alexander von Branca erbauten, 1981 eröffneten Hauses mindestens 220 Millionen Euro verschlingen wird und dass das Museum nicht - wie ursprünglich erhofft - zu Beginn des Jahres 2025 wiedereröffnet werden kann (siehe SZ vom 27. Juli).

Denn erst jetzt, nach der Bewilligung der Gelder für die Sanierung durch den Haushaltsausschuss des Landtags, kann nach Ausweichquartieren für die vielen Mitarbeiter, die Werkstätten und die Bibliothek gesucht werden. Die Galerien sind offensichtlich noch nicht annähernd geräumt, geschweige denn, dass das Personal wüsste, wohin. Mit einer fünfeinhalbjährigen Bauzeit wird gerechnet. Aber Bauen im Bestand ist immer mit Risiken behaftet. Und auch wenn man hofft, dass man das Risiko mit dem vorhandenen Asbest kennt, man muss in München nur vom Kunstareal in Richtung Isar, zum Deutschen Museum blicken, um ein Beispiel vor Augen zu haben, wie sich eine Sanierung verzögern kann und Baukosten explodieren können, weil trotz intensiver Voruntersuchungen immer neue Probleme auftauchen. Ein auch nur annäherndes Worst-Case-Szenario wünscht man der Neuen Pinakothek gewiss nicht.

Paul Gauguins "Die Geburt - Te tamarino atua" von 1896 wird neben anderen Bildern aus der gerade geschlossenen Neuen Pinakothek vorübergehend in der Alten Pinakothek zu sehen sein. (Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek München)

Damit nun aber die üppigen Bestände der Neuen Pinakothek aus dem 19. Jahrhundert nicht ganz und gar in den Depots verschwinden, hat man eine Auswahl an Meisterwerken zusammengestellt, die voraussichtlich bis Sommer nächsten Jahres in der Alten Pinakothek zu sehen sind. Dabei legen die Sammlungsleiter der Neuen Pinakothek, Joachim Kaak und Herbert Rott, sowie der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Bernhard Maaz, Wert auf die Feststellung, dass es sich hierbei nicht um eine Ausstellung handelt, in dem nur das Allerbekannteste zu sehen ist. Auch wenn man sehr wohl mit dem Prädikat "Meisterwerke aus der Neuen Pinakothek" wirbt und ein Begriff wie "Directors Choice", der durch die Werbetrommel wirbelt, beides nahelegt.

Gewiss sind etliche Lieblinge hier im Ostbereich der Alten Pinakothek anzutreffen. Vor allem im großen Mittelsaal hinter dem ehemaligen Klenzeportal, wo unter dem Haupttitel "Von Goya bis Manet - Ein Jahrhundert im Umbruch" entsprechende Werke hängen und die Besucher von Cézannes Selbstbildnis begrüßt werden. Inhaltlich reicht die Spanne von noch höfisch anmutenden Porträts bis zu Darstellungen einer arbeitenden Bevölkerung wie der "Büglerin" von Degas. Hier wie in den angrenzenden Sälen folgen Naturszenerien wie die von Koch oder Turner und Ansichten zu neuen Natur- und Gesellschaftsauffassungen wie die von Gaugin oder van Gogh. Auch ein schöner Monet ist zu sehen, nur keine "Seerosen" - die wären bei einem Blockbuster unabdinglich.

Joseph Karl Stielers Goethe-Porträt von 1828 ist in der Sammlung Schack zu sehen. (Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek München)

Zudem wird veränderten Sichtweisen durch Sammler Rechnung getragen und es werden Akzente zur deutschen, französischen und englischen Romantik oder den Nazarenern in Rom gesetzt. Im langen Weg über die Nord-Kabinette zum Hauptsaal am Klenzeportal wirft die Ausstellung ein Licht auf Courbet und die Schule von Barbizon, illustriert mit Liebermann, Corinth und Slevogt den Aufbruch in die Moderne in Berlin um 1900. Und wer mal nicht nur die Sonnenblumen von van Gogh sehen will, sollte auf dem Rückweg einen Blick auf den "Weber" werfen, eines seiner düster-sozialkritischen Frühwerke.

87 Werke des 19. Jahrhunderts aus der Neuen sind in der Alten Pinakothek ausgestellt. Für weitere 35 Gemälde lohnt sich der Weg von der Maxvorstadt in die Prinzregentenstraße zur Sammlung Schack. Hier hat man nicht so radikal Platz geschaffen wie in der Alten Pinakothek, wo die Altdeutsche und Flämische Malerei Platz für die Gäste des 19. Jahrhunderts machen mussten. Hier sucht man mehr die Verbindungen und Ergänzungen. Schwind hängt ebenso bei seinesgleichen wie Spitzweg. Die Feuerbachs haben neben ihresgleichen eine würdige Hängung erfahren, allen voran der "Abschied der Medea", und weiten das Themenspektrum, das Graf von Schack bei diesem Maler bevorzugte. Allein Böcklins "Pan im Schilf" tut man keinen Gefallen, da das wenig kontrastreiche Gemälde hinter der Verglasung zu viele Lichteinfälle erfährt - jedenfalls wenn man es am helllichten Sommertag aufsucht. Dafür hängt es in unmittelbarer Nachbarschaft zu Böcklins zwei Jahre jüngerem Motiv "Pan erschreckt einen Hirten" aus der Sammlung Schack.

Thomas Gainsboroughs "Mrs Thomas Hibbert" von 1786 ist jetzt in der Alten Pinakothek ausgestellt. (Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek München)

Im Obergeschoss hat man jenen Künstlern zwei Kabinette freigeräumt, die ihre Italiensehnsucht mit den Vorlieben des Sammlers vereint, so Bürkel, Catel, Dillis, Fries, Kaulbach, von Marées, Qualio, Rebell und natürlich Rottmann. Aber auch Porträts wie die von Goethe oder Schelling, gemalt von Stieler, harren hier ihrer Rückkehr in die Neue Pinakothek.

Von Goya bis Manet - Das 19. Jahrhundert in der Alten Pinakothek , Barer Straße 27, Di. 10-20 Uhr, Mi.-So. 10-18 Uhr; Sehnsucht nach dem Süden - Das 19. Jahrhundert in der Sammlung Schack , Prinzregentenstraße 9, Mi.-So. 10-18 Uhr, jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat 10-20 Uhr; beide bis 24. Juli 2020

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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