Komödie "Unfinished Business":Tapferkeit bei Pitch und Powerpoint

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Mit gebotener Contenance und Mimen-Gesichtszügen wie aus Carrara-Marmor: Die Hollywood-Stars Tom Wilkinson (links) und Vince Vaughn (rechts) in einer Szene von "Unfinished Business", einer Komödie mit iStock-Szenen. (Foto: iStock)

An Stock-Fotos ist alles arrangiert, alles schreit eine einzige, sofort zu erfassende Aussage. Hollywood karikiert im Film "Unfinished Business" nun die gestellte Wirklichkeit von solchen Aufnahmen aus dem Büroalltag - um damit ausgerechnet das Thema "Europa" zu erklären.

Von Bernd Graff

Wenn man erfahren will, was praktische Philosophie umgesetzt in Bilder ist, eingefangen in Fotografie und superdicht dran am Menschen; wenn man verstehen will, wie man Meta-Ebenen illustriert und die Semantik unseres Alltags; wenn man also begreifen will, wie die Brechung der Wirklichkeit durch das Herunterbrechen auf etwas Wirkliches gelingen kann - dann betrachtet man am besten die Symbolbilder der Stock-Fotografie.

Das ist ein - oft und gern auch von der Süddeutschen Zeitung betretener - Bereich, den nahezu alle Bild-Agenturen bestens bedienen können, weil sie Material zu fast jedem Thema des Berufs- und Privatlebens auf Vorrat ( in stock) haben.

Denn die hier verfügbaren Fotos zeigen Typen in typischen Situationen, sie dokumentieren kein historisches Ereignis, sie werden nicht im Auftrag geschossen, sie bebildern nahezu jedes beliebige Thema als prototypischen Standard, immer in Reinform: das missglückende Vorstellungsgespräch, der dumme Computer, der hämische Gebrauch von Handys, die beginnende Grippe, die frustrierende Erektionsstörung, lachende Frauen, alleine, mit Salat, Menschen, die Aktenordner halten, oder: Frauen, die nicht Wasser trinken können.

Auf solchen Bildern sieht man dann auch wirklich nichts anderes: Frauen, die lachend an Salat rummachen oder Wasser verschütten oder böse Menschen, die auf Handys starren. Das ist manchmal von Monty-Python-artiger betörender Poesie.

Denn an den Bildern ist alles falsch, verrenkt und verkleidet: Die abgebildeten Personen interessieren nicht als reale Menschen, sondern nur als Prototypen, die Interieurs sind sauber drapierte Biotope, und die getragene Kleidung, die gerichteten Frisuren, die aufgelegten Make-ups und benutzten Accessoires, all das findet nur exemplarisch Verwendung.

Genre der geheimnisfreien Bild-Aussage jetzt auf höherem Level

Es ist gefrorenes Laienspieltheater. Der Blick geht gern ins Weite. Denn nichts ist spontan entstanden, alles arrangiert und gewollt, alles schreit eine einzige, sofort zu erfassende Aussage. Darum verfehlen diese Bilder oft ihr Thema, sie überschlagen sich in peinlicher Übertreibung oder driften in puren Nonsens.

Nun haben die Schauspieler Vince Vaughn, Tom Wilkinson und Dave Franco dieses Genre der geheimnisfreien Bild-Aussage auf ein neues Level gehoben. Um ihren, hier erst im Sommer zu sehenden Film: "Unfinished Business" zu bewerben, sind sie in Zusammenarbeit mit dem Filmverleiher Twentieth Century Fox eine Kooperation mit den Verwaltern der "iStock"-Scheuern von Getty Images eingegangen.

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Stock-Fotos sind Symbolbilder. Sie sollen eine Botschaft vermitteln - und sonst nichts. Zum Beispiel: Wir sind kompetent, wir erledigen das für Sie.

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Häufig wirkt das unfreiwillig komisch. Für seinen neuen Film "Unfinished Business" posiert Vince Vaughn (r.) nun in einer satirischen Stock-Fotoserie.

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Nicht lustig: Diese Art Bilder überschlägt sich nicht selten in peinlicher Übertreibung.

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Schwachsinnige Details sind egal - solange die Botschaft stimmt.

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Teamwork: Die Bilder wirken wie festgefrorenes Laientheater.

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Teambesoffen: Der sterile Hochglanz des Büroalltags. Der Film, in dem ein Kleinunternehmer versucht in Europa Geschäfte zu machen, startet im Sommer.

So konnten sie Serien typischer Büro-Szenen mit den von ihnen eingearbeiteten Titeln wie: "Teamarbeit macht Träume wahr", "Weck' die Magie in dir!", "Geschäftsprognosen? Immer nur aufwärts!" und: "Es gibt kein 'Ich' im Team" eine shakespearehafte Note verleihen.

Tapferkeit bei Pitch und Powerpoint

Teambesoffen heiter und zeitlos tragisch, mit gebotener Contenance und Mimen-Gesichtszügen wie aus Carrara-Marmor gemeißelt offenbaren die in Stock-Szenen montierten Schauspieler, dass den guten alten Büro-Momenten rund um Flipchart und Kaffeetasse tatsächlich jenes dramatische Glühen innewohnt, das jeder Angestellte immer schon darin vermutete.

In dem so illustrierten Film, der übrigens in einem stockfoto-finsteren Berlin spielt, geht es denn auch um nichts anderes als Heroismus an der Tastatur, um den Wagemut der Nicht-Beförderten und um die Tapferkeit bei Pitch und Powerpoint, ums Zielen also auf das Weiße im Auge des Kunden.

Die Zusammenfassung bei der Mediendatenbank imdb klingt so: "Ein Kleinunternehmer und seine beiden Angestellten reisen nach Europa, um dort den Deal ihres Lebens zu machen.

"Angemessener Zugang zum Thema Europa"

Was als harmloser Trip beginnt, gerät außer Kontrolle: So gibt es unverhoffte Besuche bei einer Fetisch-Party, bei einem Oktoberfest-Bacchanal und bei Protesten vor einem Weltwirtschaftsgipfel." An Schauplätze also, die jeder Stockfoto-Betreiber mit: "Altes Europa, Libertinage und Lederhose, Gruppe, Suff und Scheitern" verschlagworten würde.

Offenbar ist dies geglückt; das Filmfachblatt Variety berichtet, dass es dem Film gelinge, einen "angemessenen Zugang zum Thema Europa zu bieten". Das Geheimnis, das wir aber niemandem verraten: Es liegt an den Stock-Fotos.

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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