Komiker Fips Asmussen:Fips lass nach

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So etwas gibt es heute ja gar nicht mehr: Vor 30 Jahren war Rainer Pries alias Fips Asmussen ein Star des deutschen Humorbetriebs. Er glaubt, er sei es noch immer.

Cornelius Pollmer

Der Weg in die Vergangenheit führt über die Straße des Fortschritts. Von hier aus sind es nur noch ein paar Kurven, gesäumt von grauen Straßenleuchten. Ein Plakat wirbt für den Tag der offenen Tür im Autohaus des Nachbarorts - zwei Jahre liegt der inzwischen zurück. Die Zeit vergeht zäh in 06268 Querfurt, Sachsen-Anhalt, und wenn man von der Hauptstraße abbiegt, in die Daheimstraße, dann bleibt sie sogar stehen.

"Die Merkel ist wirklich geschickt. Man weiß nur nich von wem!" Aus Brüllern wie diesen setzt sich das Programm von Rainer Pries alias Fips Asmussen zusammen. (Foto: Screenshot: fipsasmussen.de)

Die Nummer 10 ist das einzige Haus ohne Klingelschild und das einzige mit Überwachungskamera. Hier wohnt die Familie von Rainer Pries. Er hat die Kamera anbringen lassen und das Klingelschild entfernt, weil man das als Prominenter eben so macht.

Die Postleitzahl von Querfurt war vierstellig, als der gebürtige Hamburger Rainer Pries zu Ruhm kam. Er verkaufte sieben Millionen Tonträger. Dafür bekam er eine Platin- und drei Goldene Schallplatten. Als Fips Asmussen war er ein Star des deutschen Humorbetriebs. 30 Jahre ist das her. Das Geschäft ist seitdem ein anderes geworden. Es gibt Privatfernsehen und Internet. Es gibt keinen Humorbetrieb mehr, sondern eine Comedyszene. Einige Szenegrößen spielen vor zehntausend und mehr Leuten, sie führen durch eigene Shows im Hauptprogramm und vermarkten sich in bunten Online-Shops. Rainer Pries, 71, hat davon offenbar nicht viel mitbekommen. Er spielt vor 150 Leuten im Stadt-Kulturhaus Borna und im Kabarett Nörgelsäcke in Gößnitz. Er freut sich über Einladungen in die "Aktuelle Schaubude".

Wer die Telefonnummer vom Büro Fips Asmussen wählt, der kann ihn persönlich fragen, warum er seiner kaputten Hüfte und der Familie diese Hektik überhaupt noch zumutet. "Weil mein Publikum es will, ich hab die Bude voll." Es wäre einzuwenden, dass die Buden immer kleiner werden, noch kleiner als die Aktuelle Schaubude, aber solche Einwände versteht Rainer Pries nicht. Olympiastadion oder Stadt-Kulturhaus Borna - ausverkauft ist ausverkauft.

"Ich nenn ihn immer Po-wereit"

Ein Freitag in Leipzig: "Die Funzel" ist ausverkauft. Dicke Bäuche schieben sich auf der schmalen Kellertreppe aneinander vorbei. Die Männer tragen Hemden wie Spannbettlaken, die Frauen nie modisch gewesene Kurzhaarfrisuren. "Nur junge Leute hier, alle unter 70", wird Fips Asmussen nachher sagen, und die Besitzer der Bäuche werden kreischen. Er tritt zum 50. Mal in der Funzel auf. Die Karten haben zwanzig Euro gekostet. Die Liste mit dem Schnaps in der Getränkekarte ist mit Absturzbeschleuniger überschrieben.

Ein bisschen Spaß muss sein in der Funzel. "Wir nehmen Humor ernst", lautet der Leitspruch des Hauses. Die letzte Überprüfung durch die Handwerkskammer Leipzig hat das anerkannt: "Vorbildlich arbeitender Dienstleistungsbetrieb", bescheinigt eine vergilbte Urkunde. Daneben hängen Fotos von Achim Menzel, Karl Dall, Axel Schulz. Wie bei Rainer Pries auch, im Flur in der Daheimstraße in Querfurt. Das hier also ist sein Publikum. Menschen, die schweigsam auf einen Absturzbeschleuniger warten und auf die anerkannte Dienstleistung. Auf einen Doppelkorn und einen Fips. Da geht man kein Risiko ein.

Auftritt Asmussen: "Du hast aber einen schönen Bart, der geht ja bis rum - da hast du bei der Geburt ja gleich den ganzen Rahmen mit rausgerissen! ... Kinder, ich sach euch, ich hab heut zwei Stunden im Stau gestanden - tun mir die Füße weh! ... Berlins Oberbürgermeister, ich nenn ihn ja immer Po-wereit! ... Ich sach euch eins: Die Merkel ist wirklich geschickt. Man weiß nur nich von wem! ... ! ... !!! ... !!!!"

Kurz vor der Pause läuft die Jukebox heiß. 30 Witze pro Minute. Die Leute sollen sich nachher nicht daran erinnern können. Jeder Witz ist flüchtig. Wer nachdenkt, dem wird das Lachen noch vergehen. "Ich nenn ihn ja immer Powereit. Po-we-reit." Nach dem Auftritt signiert Asmussen die mitgebrachten CDs und Langspielplatten eines Fans. "So etwas gibt es ja heute gar nicht mehr", sagt der Fan. Asmussen nickt. Auf den Covern steht "Gnadenlos witzig!", "Eine Mütze voller Witze" und "Ab heute wird gelacht". Jetzt aber ist erst mal Schluss mit lustig, Asmussen und seine Frau wollen weg. Liegt der Auftrittsort weniger als eine Autostunde von Querfurt entfernt, schlafen sie nicht im Hotel.

Lesen Sie auf Seite 2, was Fips Asmussen über Cindy aus Marzahn denkt.

Sie schlafen nur noch selten im Hotel. Fips Asmussen reibt sich den Kugelbauch. In seinem Mundwinkel klemmt eine Zigarre, die gerade schon wieder ausgegangen ist, was er schon wieder nicht gemerkt hat. Die weißen Kräusel auf seinem Kopf sehen aus wie Zuckerwatte, ganz anders als der flaumige Haarhelm, den er bei seinen Auftritten trägt. Das Kettchen an seinem Handgelenk glänzt golden, das Amulett um seinen Hals auch. Die Gravur zeigt eine Karikatur von Fips Asmussen. Er will jetzt seine Sicht der Dinge darlegen.

Simpsonize me!
:Sind wir nicht alle ein bisschen gelb?

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Angefangen hat er in Hamburg, in der "Violetten Zwiebel", einer Bar. "Vier Jahre lang habe ich jede Nacht bis früh um fünf den Alleinunterhalter gespielt. Das gibt man irgendwann auf, da kommt die Sauferei dazu, ist ja logisch. Als ich angefangen habe, hatte ich ja keinen Namen. Da hat man's schwer. Betriebsfeiern und so. Ich hab' ja alles durch."

Barth, Kalkofe, Cindy aus Marzahn - Katastrophe!

Heute habe er einen Namen und einen eigenen Stil, er sei anders als alle anderen. "Das ist mein Prinzip. Den Namen Fips Asmussen gibt es nur einmal in Deutschland, ich habe das mal nachgeschaut, im Telefonbuch. Die Schiebermütze trage ich nicht mehr, das machen zu viele andere jetzt auch. Aber die Weste, die ist wichtig. Viele sagen ja: Den erkennt man an der Weste."

Er selbst lacht über Leute, die komisch aussehen oder sich komisch geben. Harald Schmidt und Georg Schramm findet er gut, Mario Barth, Maddin Schneider und Cindy aus Marzahn nicht. Barth: "Das ist für mich kein Humor." Schneider: "Der hat kein Repertoire." Marzahn: "Wenn die die Bude voll bekommt, dann ist das für mich 'ne Katastrophe." Kalkofe? Auch Katastrophe.

Er sei kein Witzeerzähler, er erzähle Geschichten, auch politische und so. "Es muss auf der Bühne so klingen, als ob es einem gerade einfällt. Man muss ja auch auf das Publikum eingehen und herausfinden, was die mögen. Wer sagt, dass bei mir jede Show gleich ist, der war erst ein Mal da."

Die Geschichten von Fips Asmussen stehen in einem schwarzen Ringbuch: 60 DIN-A4-Seiten voller Witze. Das, was ihm auf der Bühne gerade so einfällt, muss er inzwischen streckenweise vorlesen. In dem Buch steht der Dreizeiler mit Powereit, auch der mit dem Stau und der mit der Merkel. Er erzählt die Witze in Leipzig, und ein paar Wochen später erzählt er sie in Weißenfels noch einmal. Den mit dem Stau erzählt er sogar dreimal. Einmal in Leipzig, zweimal in Weißenfels. Fips Asmussen erzählt, was er glaubt, und sein Glaube ist mächtig, weil Asmussen sich dem Abgleich mit der Wirklichkeit verweigert.

In der Daheimstraße in Querfurt kann das ganz gut gelingen. Seine Frau sagt nichts, ohne es vorher "mit dem Fips" besprochen zu haben. Sein Sohn, der hauptberuflich im Büro Fips Asmussen tätig sei, ist nicht zu hören, nicht zu sehen - und natürlich nicht zu sprechen. Fips Asmussen hat einmal gesagt: "Nicht alles, was ein Loch hat, ist kaputt." Allerdings bezog sich das nicht auf sein Selbstbild, es bezog sich auf: Frauen.

© SZ vom 18.8.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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