Kolumne "Nichts Neues":Weewahwah doo ya

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(Foto: Ariola/Bearbeitung SZ)

Als Adriano Celentano Amerikanisch erfand.

Von Johanna Adorján

Kinder machen doch manchmal nach, wie Fremdsprachen für sie klingen. Spitzen die Lippen und sagen lauter Sachen mit Ö und Ü, und das soll dann wie Französisch sein oder so. Genau dasselbe hat Adriano Celentano gemacht, nur mit Amerikanisch. Und öffentlich. Als Song. Er habe immer schon mal was schreiben wollen, das amerikanisch klang, erklärte er anschließend, weil das, was er aufgenommen hatte und im italienischen Fernsehen der frühen Siebziger Jahre auch mehrmals aufführte, ein paar Fragen aufwarf. Allen voran die: Was hatte das, was er da sang, eigentlich zu bedeuten?

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Die Antwort: nichts. Es ist Kauderwelsch. Fantasie-Sprache. Irgendwas, das für italienische Ohren wie amerikanisches Englisch klingt. Den Titel des Songs muss man von Celentano gesungen hören, damit man versteht, wie das Prinzip funktioniert. Geschrieben sieht er nur lang und sperrig aus, eher wie der lateinische Name eines Medikaments - "Prisencolinensinainciusol" - aber wenn Celentano ihn singt, jede Silbe dehnt wie einen Kaugummi, mit kalifornisch gegurgeltem Rrrrr und alles sich breit im Rachenraum abspielend, klingt es echt amerikanisch. Es ist auch, während er singt, alles klar. "Eni go for doing peso ai / in de col mein seivuan", so oder ähnlich lauten Textzeilen, und man versteht sofort, dass der Song von einer Jessica aus Pennsylvania handelt, deren Daddy einen pinken Chevrolet fährt. Oder von einem Typen namens Johnny, der eine Gitarre hat, aber kein Mädchen mehr. Oder von Billy, dem alle, die ihn je sahen, eine große Zukunft voraussagten, aber er hat alles verspielt.

Das Allertollste an dem ganzen Spaß, den heute wahrscheinlich keiner mehr machen dürfte, ohne dass gleich wieder viele beleidigt wären, ist, dass die Musik auch noch richtig gut ist. Eigentlich hatte Celentano wohl was Bob-Dylan-artiges machen wollen, aber glücklicherweise hat er dafür viel zu viel Funk im Blut, und so gibt es Bläsersätze, die nach James Brown klingen, einen fröhlichen Nonsense-Sprechchor und einen Rhythmus, der viel zu aufgeregt tänzelt, um in der ewig verregneten Singer-Songwriter Ecke zu landen. Ach Italienpop, was warst du schön.

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