Kolumne: Deutscher Alltag:Du bist Deutschland

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Manches ändert sich über Nacht: Guido Westerwelle und Horst Seehofer werden zu Duz-Freunden. Vertraulichkeiten dieser Art zwischen Menschen dieser Art kann nur das Berufsleben hervorbringen.

Kurt Kister

Diese gerade vergangene Woche hat manche Veränderung mit sich gebracht. Zum Beispiel ist jetzt ein Unteroffizier der Reserve Verteidigungsminister und ein Hauptmann der Reserve leitet das Entwicklungshilfeministerium. In Wirklichkeit allerdings ist der Entwicklungshilfe-Hauptmann der Kompaniefeldwebel des außerordentlich ungedienten Außenministers. Der Unteroffizier wiederum kommt aus einer Familie, in der die Männer in den vergangenen Jahrhunderten meistens höhere Offiziere waren, aber nie so viele Soldaten befehligten wie jetzt Merkels gegelter Uffz-Baron.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (r.) und Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz zum Koalitionsvertrag. (Foto: Foto: ddp)

Jenseits solcher militärgeografischen Feinheiten hat die Woche drei dringende Gewissensfragen aufgeworfen. Die erste: Möchte man sich mit Horst Seehofer duzen? Die zweite: Spricht man Guido eigentlich Guuuuido oder Giiiido aus? Und die dritte, existentielle: Was soll man tun, wenn man um 2.15 Uhr von Westerwelle das Du angeboten bekommt?

Die Beantwortung der mittleren Frage ist relativ einfach. Jeder Donna-Leon-Leser oder Brunetti-Filme-Glotzer weiß, dass der Italiener Guuuuido sagt. Nun ist auch der neue Außenminister tief drinnen ein wenig Italiener, was Westerwelle vor Jahren dadurch bewies, dass er sich vom SZ-Magazin thomasmannhaft im weißen Anzug in Venedig ablichten ließ. Weil Westerwelle andererseits eindeutig weit vor Guido Knopp, ganz zu schweigen von Guido Bohsem, der deutsche Leit-Guido ist, ist wohl die italienisierte Namensaussprache vorzuziehen.

Genauso macht es, und das führt zur ersten Frage, Horst Seehofer, Guuuidos neuer Duz-Freund. Dem Bayern, dem Ingolstädter zumal, ist eine ans Quietschende grenzende Lautfolge wie Giiiido unangenehm. Solche Geräusche schätzt man vielleicht in Krolgatz und Bretzelburg. Dort spricht man auch nicht von Horrrst, sondern eher von Hoast so wie man Spoat oder Toasten für Torsten sagt. Horst wirft weniger phonetische Probleme auf als Guido, sodass dies zumindest ein Grund wäre, sich mit Seehofer zu duzen.

Der Hoast und der Guuuuido sagen nun seit Samstag, viertel nach zwei morgens, Du zueinander. Vertraulichkeiten dieser Art zwischen Menschen dieser Art kann nur das Berufsleben hervorbringen. Wenn man Stunde um Stunde mit den sonderbarsten Gestalten zusammengesperrt ist, weil man einen Koalitionsvertrag oder sonst einen Plan erarbeiten muss, kann es passieren, dass einem mal ein Du herausrutscht. Man meint das nie so ,wie man es sagt, nicht vertraulich, schon gar nicht freundschaftlich. Es ist jenes Du, das man benutzt, weil man angesichts der Tricks und Viertelblödheiten des anderen nicht mehr genug Respekt vor ihm hat, um ihn weiter zu siezen. So gesehen müsste man vielleicht sowohl den Guuuuido als auch den Hoast duzen.

© SZ vom 31.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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