Klimt-Kunstwerk als NFT:Küsschen für 1850 Euro

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Ein Schnipsel Klimt: Das Gemälde "Der Kuss" von 1909 ist jetzt stückweise zu haben. (Foto: Ouriel Morgensztern/Belvedere Wien)

Ein Wiener Museum hat das Gemälde "Der Kuss" von Gustav Klimt zerschnitten. Digital, versteht sich. Das ideale Geschenk zum Valentinstag?

Von Andrian Kreye

Was könnte es Romantischeres geben, als dem oder der Liebsten zum Valentinstag ein Stück vom Metaversum zu schenken. Das ist jene digitale Simulation von Räumen und Welten, in denen sich in Zukunft das digitale Leben abspielen soll. Dort gelten andere Regeln als auf dem Planeten Erde. Wenn das Wiener Museum Belvedere nun also zehntausend Metaversianern ein Stück vom "Kuss" von Gustav Klimt anbietet, muss man sich erst einmal von seinen altmodischen Vorstellungen von Kunst, Besitz und Material verabschieden. Weil die Museumsleute das Gemälde, das er 1909 mit viel Goldfarbe fertigstellte, selbstverständlich nicht in zehntausend Stücke zerschneiden. Das haben sie mit einer digitalen Kopie getan. All diese Bildausschnitte werden nun in sogenannte NFTs verwandelt. Das sind Dateien, die mithilfe des Verschlüsselungsverfahrens Blockchain als Einzelstücke gespeichert werden. Darüber wird in digital interessierten Kreisen seit einiger Zeit viel diskutiert.

Es gibt schon alles Mögliche als NFT, meist Bilder und Videos. John Lennons Sohn Julian versteigerte gerade ein NFT vom Afghanenmantel, den sein Vater in dem Film "Magical Mistery Tour" trug, für fast 17 000 und eines von Paul McCartneys Textblatt für "Hey Jude" für fast 68 000 Euro. Der NFT-Künstler Pak half dem Whistleblower Julian Assange vergangene Woche mit einem gemeinsamen Werk, 54 Millionen US-Dollar für Anwaltskosten zu sammeln. Dagegen sind 1850 Euro für ein Stück vom Kuss preiswert. Noch dazu, weil man dem NFT eine persönliche Widmung hinzufügen kann. Hach.

Warum sollte ein Museum nicht von dem neuen Markt profitieren?

Wer das nun alles für Blödsinn hält, lebt offensichtlich noch im 20. Jahrhundert. Belvedere-Chef Wolfgang Bergmann sieht NFTs durchaus als neues Kapitel der Kulturgeschichte: "In der Entwicklung der Kunst gibt es immer solche Zäsuren, wo die einen den Kopf schütteln, wofür Geld ausgegeben wird, und wenige Jahrzehnte später sind die Künstler, die durch die Medien gebügelt worden sind, dann die Stars." Digitale Kunst, die man sich nicht einrahmen kann, gibt es ja schon länger. Nam June Paik hat seine Fernsehbildskulpturen zum Beispiel schon 1963 in Wuppertal ausgestellt. Von der Performancekunst, mit der Marina Abramović zum Weltstar wurde, mal ganz zu schweigen, von der es in der Regel nur Dokumentationen gibt.

Mit der Liebe zum Werk und der Kunst hat die neue Welt der NFTs trotzdem nur wenig zu tun. Die Firma ArtèQ, mit der das Belvedere zusammenarbeitet, präsentiert sich auf ihrer Website ganz unverhohlen als "erster Investmentfonds für NFT-Kunst". Ähnlich wie bei Kryptowährungen steigen (und fallen) die Kurse für diese Sorte digitaler Werke so steil wie die Achterbahnschienen vom Olympia-Looping auf dem Oktoberfest.

Aber warum sollte ein Museum nicht von diesem neuen Markt profitieren? Kunst ist sowieso schon Spekulationsobjekt, was für eben diese Häuser Neuankäufe so schwierig gemacht hat. "Wenn es ein neues Geschäftsfeld gibt, ist es für uns als Museum ein Auftrag, da tätig zu werden", sagt Bergmann. Wie viele Millionen zusammenkommen würden, wenn sich alle NFTs verkaufen, lässt sich leicht ausrechnen. Für einen neuen Klimt würde es nicht reichen. Seine bekannteren Werke brachten bei den letzten Auktionen dreistellige Millionenbeträge.

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