Kinojahr 2011:Träume, zum Greifen nah

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Knapp hätten die deutschen Kinobetreiber die Milliarden-Umsatzmarke geknackt - das maue Vorjahr zumindest ließen "Harry Potter", "Fluch der Karibik" und "Kokowääh" vergessen. Künftig setzen die Kinos vermehrt auf 3D-Filme und rüsten ihre Leinwände auf digitale Technik um. Und es naht eine Katastrophe.

Fritz Göttler

Der Oktober hat's vermasselt, mit seinem ungewöhnlich guten Wetter, mit hohen Temperaturen, die sogar bis in den November mild blieben. Sonst, so sieht es Johannes Klingsporn, der Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher in Deutschland, "hätten wir die Umsatzmilliarde schaffen können". So haben die deutschen Kinos nach vorläufigen Schätzungen im Jahr 2011 "nur" etwa 930 Millionen Euro Umsatz gemacht, bei rund 130 Millionen Kinobesuchern.

Der vierte Teil der "Pirates of the Caribbean"-Serie mit Johnny Depp als Captain Jack Sparrow steuerte wesentlich zum erfolgreichen Kinojahr 2011 bei. (Foto: dpa)

Kein richtiges Rekordjahr also, aber doch ein Ergebnis, das den katastrophalen Eindruck des Vorjahrs vergessen lässt. Damals war die Besucherzahl um 13,5 Prozent auf 126,6 Millionen abgesackt, der Umsatz um 5,7 Prozent auf 920,4 Millionen Euro gesunken. Den größten Teil des diesjährigen Einspielergebnisses steuerten Filme bei wie "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 2", der letzte Film der Potter-Reihe, das vierte "Pirates of the Caribbean"-Stück mit Johnny Depp und Til Schweigers "Kokowääh". Auf 20 Prozent wird insgesamt der Marktanteil des deutschen Kinos in diesem Jahr geschätzt.

Zwei deutsche Filmemacher haben sich auch auf einem immer noch umstrittenen Gebiet profiliert - dem des 3D-Films, der noch vorwiegend dröger und dreister Action überlassen wird und dessen Zukunft weiter ungewiss ist. Aber Wim Wenders und Werner Herzog haben sich in "Pina" und "Die Höhle der vergessenen Träume" Gedanken gemacht über Sinn und Möglichkeiten dieser neuesten Filmkunst. Johannes Klingsporn folgert daraus, dass nun auch das Arthaus-Kino - also die kleinen, unabhängigen Produktionen - 3D nutzen wird.

Der neuen Technik wird also ein kreativer Mehrwert zugeschrieben, der davon ablenken soll, dass im Moment 3D vor allem eine Frage des Geschäfts und teils beträchtlich erhöhter Eintrittspreise ist. Eine phantastische 3D-Produktion wie Martin Scorseses "Hugo" hat in Amerika bislang sein Publikum nicht gefunden.

Man wird aus dieser Jahresbilanz keine Tendenz für die Entwicklung der nächsten Zeit ablesen können. Neben der Tatsache, dass es weiterhin kaum Filmtheater in mittleren und kleineren Orten gibt, wird dafür der wichtigste Faktor die Umrüstung der Kinos auf digitale Vorführsysteme sein - die in Deutschland bei kleinen und kommunalen Kinos von Bund, Filmförderung und Filmwirtschaft unterstützt wird. "Zur Digitalisierung des Abspielens von Filmen in den Kinos gibt es mittelfristig keine Alternative", erklärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Etwa 2000 digitalisierte Leinwände gibt es bis jetzt, das ist ungefähr die Hälfte der Leinwände in deutschen Kinos überhaupt. Im Jahr 2016, so glaubt Neumann, wird die Digitalisierung abgeschlossen sein.

Wie dann die Faszination des Ereignisorts Kino wirken wird, ist heute kaum abzuschätzen - und ebenso wenig, wie die neuen Produktionsbedingungen und ästhetischen Konzepte des digitalen Kinos die Filme prägen werden. In den USA sind die aktuellen Einspielergebnisse sehr enttäuschend, vor allem bei den Blockbuster-Produktionen werden die selbstgesetzten Standards nicht mehr erreicht.

Das nächste Jahr wird jedenfalls erst mal mit einer Katastrophe beginnen. Im April wird James Cameron, der König und Retter der amerikanischen Kinoindustrie, der die einträglichsten Filme schuf, sein neues Opus in die Kinos bringen. Es wird nicht wirklich neu sein: eine 3D-Version seines Supererfolgs "Titanic" aus dem Jahr 1997. Genau 100 Jahre nach ihrem Untergang.

© SZ vom 27.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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