Kino:Nein zum Gelbstich

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Mexiko? Könnte man meinen, ist aber in New York aufgenommen. (Foto: Angela Weiss/AFP)

Wenn der Drogenboss im Film um die Ecke kommt, erkennen Zuschauer oft schon am Farbfilter: Mexiko! Das war mal originell, geht vielen aber inzwischen auf die Nerven.

Von Christoph Gurk

Anfang Juni, als New York wegen der Waldbrände in Kanada in einer braunbeigen Wolke verschwand, löste das bei vielen apokalyptische Assoziationen aus. Manche dachten aber auch an etwas anderes: Mexiko. Dabei ist - von Ausnahmen abgesehen - die Luftqualität in dem lateinamerikanischen Land nicht schlechter als in den USA. Vielmehr ging es um das durch den Rauch gefärbte Licht in New York: Manche erinnerte es an die Farbfilter, die Hollywood einsetzt, wenn es in Filmen um das Ende der Welt geht, genauso aber auch, wenn Szenen im sogenannten globalen Süden spielen, in Asien, Afrika oder Lateinamerika, ganz besonders aber eben auch in Mexiko.

Wie das in der Praxis aussieht, kann man in der Serie "Breaking Bad" beobachten: Sie handelt vom Auf- beziehungsweise Abstieg eines biederen Chemielehrers zum Drogenboss. Ein Großteil der Handlung spielt dabei im US-Bundesstaat New Mexico, einige Szenen aber auch weiter südlich, in Mexiko. Und kaum passiert die Kamera die Grenze, ist das Bild auf einmal gelblich eingefärbt - eben genau so wie das Licht in New York nach der Einnebelung durch die Rauchwolke. "Wer hat hier den Mexiko-Filter angemacht?", fragte ein Nutzer prompt auf Twitter. "New York sieht so aus wie Mexiko in Hollywoodfilmen!", schrieb ein anderer.

Der mexikanische Drogenfahnder Javier Rodriguez Rodriguez (Benicio Del Toro) In "Traffic - Macht des Kartells". (Foto: United Archives/kpa Publicity/imago images)

Dass Filmemacher einzelnen Szenen eigene Farbtöne geben, hat zum einen erzählerische Gründe. Im Film "Traffic - Die Macht des Kartells" wurden über die Handlungsstränge zur Unterscheidung jeweils andere Filter gelegt: blau und weißgrau für die Schauplätze in den USA, gelborange für die Szenen in Mexiko. Regisseur Steven Soderbergh wurde im Jahr 2000 für diesen technischen Trick gefeiert. Bald zogen andere in der Branche nach, Farbfilter wurden zur Norm - und bald auch zum Problem.

Denn auf einmal war Mexiko - ein Land, das eigentlich überquillt vor Farben - im Kino oder TV stets nur noch gelb. Filmemacher rechtfertigten das mit dem Klima. In Mexiko sei es nun mal heiß, das solle mit der Farbwahl verdeutlicht werden. Allerdings: Sengende Sonne gibt es auch in Miami. Gelb eingefärbt ist die Stadt in Hollywoodstreifen trotzdem nicht.

Kritiker sagen, dass die Filter auf Klischees beruhen und so abwertende Stereotype bestärken. Denn Gelb steht in der Farblehre auch für heraufziehende Gefahr. Obacht, lieber Zuschauer, hinter der nächsten Ecke lauert ein Krimineller! Darum gibt es Widerstand: Filme, die so aussehen, als habe der Gilb an den Farbreglern gesessen, werden zum Ziel von Zuschauerzorn. Gleichzeitig ist das Phänomen auch längst zu einem Internet-Witz geworden: Urlaubsfotos richtig eingefärbt - und schon wirkt es so, als habe man seine Ferien auf einer Drogenranch verbracht statt in einem Familienhotel an der Adria.

Im Falle von New York war das nun nicht mehr nötig. Die Straßen, Brücken und Parks: Alles sah so aus, als hätte Hollywood die Metropole in einen Mexiko-Filter getaucht. Immerhin: Der Rauch ist mittlerweile abgezogen. Bleibt ein Problem: Der nächste gelbe Blockbuster kommt bestimmt.

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