Ab heute sind wir ehrlich
Dem sizilianischen Komikerduo Salvatore Ficarra und Valentino Picone gelingt mit simpler Prämisse eine unterhaltsame Gesellschaftssatire. Bei der Wahl des Bürgermeisters im Küstenkaff Pietrammare zieht der korrupte Amtsinhaber den Volkszorn auf sich und wird von einem progressiven Lehrer abgelöst, der Ehrlichkeit vor dem Gesetz verspricht. Doch der Kulturwandel entpuppt sich als Kulturschock, als plötzlich Müll getrennt werden muss und es sogar der Vetternwirtschaft an den Kragen geht. Bleibt nur die revolutionäre Rolle rückwärts.
Belleville Cop
Komödienliebling Omar Sy fliegt als Pariser Flic nach Miami, um einen Mörder zu fangen. Dort ist er ein Fremder auf fremdem Terrain, was ihn deutlich weniger stört als den amerikanischen Cop, der ihn begleitet. Regisseur Rachid Bouchareb inszeniert einen munteren Clash von allem, was man im Buddy-Movie aneinander krachen lassen kann: Sprache, Herkunft, Kultur, Polizeigepflogenheiten und männliche Eitelkeit.
Carré 35
Der Franzose Eric Caravaca hat einen Zwitter aus Dokumentation und Essay gemacht: Er beginnt damit, die Umstände des Todes seiner Schwester zu erkunden, die Jahre vor seiner eigenen Geburt in Casablanca gestorben ist; und dann verwebt sich, wie von allein, das Familiendrama mit der Kolonialgeschichte, die Super 8 Filme von seinen jungen Eltern mit alten Wochenschau-Berichte. Eine wunderbare kleine Geschichte der Verdrängung.
Checker Tobi und das Geheimnis unseres Planeten
Normalerweise erklärt Checker Tobi alias Tobias Krell Kindern im Fernsehen die Welt. Martin Tischner bringt ihn nun zum ersten Mal ins Kino. Eine Flaschenpost gibt dem sympathischen Tobi ein Rätsel auf. Um es zu lösen, macht er eine Abenteuerreise, die ihn in fünf Länder führt. Tobi klettert auf einen Vulkan, taucht im Pazifik oder besucht eine Forschungsstation im Eis. Wissen wird natürlich auch vermittelt, aber es bleibt wunderbar viel Raum für die Faszination an der Natur und die Lust am Entdecken.
Generation Wealth
Seit fast 30 Jahren dokumentiert die Fotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield Amerikas Obsession mit Geld, Ruhm und Schönheit. Ihr Blick ist kein gesellschaftskritischer, sondern der einer Ethnologin, die die teils grotesken Ausformungen der Konsumkultur als individuelle Glücks- und Unglücksgeschichten beschreiben will. Viele davon versammelt sie hier um den Totempfahl des Spätkapitalismus - Superreiche, gefallene Hedgefonds-Banker, Pornostars, Schönheitsköniginnen im Kleinkindalter. Als tiefgründige Diagnose taugt das kaum, wohl aber als eindrücklich verstörende Materialsammlung der Maßlosigkeit.
Green Book
Tony Lip braucht einen Job, für ein paar Monate, also verdingt er sich bei Dr. Shirley, als Chauffeur. Der Doktor ist ein Jazzpianist, der zwei Monate auf Tournee geht durch die Südstaaten der USA. Ein Afroamerikaner! In den Süden!! Es ist das Jahr 1962!!! Viggo Mortensen ist der Italoamerikaner Tony Lip, ungewohnt füllig und von rassistischen Reaktionen nicht frei, Mahershala Ali ist Dr. Shirley, von einer fast besessenen Kultiviertheit. Die Geschichte klingt unwahrscheinlich, aber Peter Farrelly hat sie, ohne seinen Bruder Bobby, auf ganz natürliche Weise erzählt. Unentbehrlich: das grüne Buch ... Lesen Sie hier eine ausführliche Rezension.
Mia und der weiße Löwe
Weil ihre Eltern in Südafrika Löwen züchten wollen, muss die zehnjährige Mia (Daniah de Villiers) London hinter sich lassen. Dem Leben zwischen wilden Tieren kann sie wenig abgewinnen, bis sie auf das weiße Löwenbaby Charlie trifft. Nichts kann Mia und ihn fortan trennen. Lange bleibt Charlie bei Gilles de Maistre zur Sorge der Eltern aber nicht süß und klein. Als sie ihn verkaufen wollen, kommt Mia einer furchtbaren Lüge auf die Spur. Ein aufwühlender Film, der zeigt, was Menschen der Natur antun.
The Mule
Im Oktober 2011 staunten amerikanische Fahnder nicht schlecht, als sie den wichtigsten Drogenkurier des Sinaola-Kartells im Raum Detroit festnahmen - der Mann war weiß, von Beruf Lilienzüchter, nicht vorbestraft und fast 90 Jahre alt. Wie dieser Charmeur und Kriegsveteran mit Hang zu Blumen zu seinem gefährlichen Rentnerjob kam, darauf macht sich Clint Eastwood nun als Regisseur und Hauptdarsteller seinen eigenen Reim. Sein Porträt eines Mannes, der überall Anerkennung sucht, bis ihn die Reue über das verpasste Familienleben einholt, fügt seiner reichen Karriere ein neues Glanzlicht hinzu.
Plötzlich Familie
Während Pete und Ellie Häuser zum Weiterverkaufen für andere herrichten, regt sich auch bei ihnen die Sehnsucht nach Familie. Der Teenager, den sie in Pflege nehmen, bringt allerdings noch zwei kleine Problemgeschwister mit. So folgt auf den Honeymoon bald das von einer Selbsthilfegruppe unterstützte Krisenmanagement. Sean Anders, der Vaterschaft in "Der Chaos Dad" und "Daddy's Home" schon öfters komödiantisch durchgespielt hat, schöpft hier aus seinen eigenen Pflegeeltern-Erfahrungen, weshalb der ausgelassene Komödienspaß immer wieder von wahren Gefühlen aufgefangen wird, was wiederum von einem tollen Ensemble getragen wird, neben Rose Byrne und Mark Wahlberg gehören Isabela Moner, Margo Martindale und Octavia Spencer dazu.
Rafiki
Ein kleiner Film von Wanuri Kahiu, der sich ganz auf seine Liebesgeschichte konzentriert, ohne ästhetische Kapriolen, ohne allzu viel Nebenhandlungsschnickschnack, ohne große Effekte. Aber die Hauptdarstellerinnen und die sinnliche Kamera, die meist dicht an den Menschen bleibt, ziehen einen emotional in ihren Bann. Man will sofort alle Benin-Bronzen nach Afrika restituieren, wenn man dafür eine Liebesgeschichte zwischen zwei so tollen Frauen ermöglichen kann. Außerdem trägt die Protagonistin eine Jacke mit eingestrickten Rentieren. Solange Rentierwolljacken von schönen jungen Butches in Kenia getragen werden, kann die Welt nicht verloren sein.
Die Kunst des toten Mannes
Was wäre, wenn die Bilder zurückschlagen, sich wehren gegen arrogante Kritiker, geschäftstüchtige Galeristen und ignorante Sammler, für die Kunst keine Magie ist, sondern nur als Marktwert definiert wird? Nach den Mechanismen der Sensationsreportage in "Nightcrawler" nimmt sich Dan Gilroy jetzt den Kunstbetrieb vor, wieder zusammen mit Jake Gyllenhaal. Der Film wandelt sich von einer schrillen Satire über einen L.A.-Kunstkrimi zum Horrorfilm über Bilder, in denen die Dämonen ihres Schöpfers weiterleben (ab 1. Februar auf Netflix).
Weightless
Ein Müllarbeiter soll sich um seinen Sohn aus einer verflossenen Beziehung kümmern. Er und dieser Zehnjährige haben sich bisher noch nie gesehen, entsprechend schwerfällig verläuft ihre Annäherung. Jaron Albertin wählt für sein Spielfilmdebüt amerikanisches Proletariat, mit Dramen durchsetzt - leider erzählt er so knapp, dass weder Verständnis für die Protagonisten noch für die Geschichte aufkommt.