Peppermint: Angel of Vengeance
Eine Frau sieht Rot. Nach dem brutalen Mord an ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter verwandelt sich eine brave L.A.-Hausfrau in eine Killermaschine gegen das organisierte Latino-Verbrechen. Zehn Jahre nachdem der französische Regisseur Pierre Morel den sanftmütigen Liam Neeson in "96 Hours" auf einen rohen Vergeltungstrip schickte, führt er nun im Zuge der Gleichberechtigung auch Jennifer Garner auf den Pfad der Gewalt. Einziger Unterschied: Als Schutzengel vernachlässigter Straßenkinder lebt sie en passant auch ihre Mutterinstinkte aus.
Aggregat
Kommentarlos und episodenhaft blickt Marie Wilkes so aktuelle wie ernüchternde Dokumentation auf das Innenleben des Bundestages, der erregten Provinz und der gescholtenen Medien. Dazwischen Schwarzblenden, die so lang zu sein scheinen wie die Gräben zwischen den Akteuren tief. Geschickt angeordnet treten die Episoden in einen kurzweiligen, entlarvenden Dialog. Zugleich deutet die gestörte Kommunikation jedoch auf die Zerreißprobe hin, der das Land derzeit ausgesetzt ist.
Alexander McQueen - Der Film
Models, die Wölfe spazieren führten, auf Hufen balancierten, von Robotern mit Farbe besprüht wurden, mit verbundenen Köpfen vorüber wankten wie Geisteskranke: So sah es aus, wenn der britische Designer Alexander McQueen seine Dämonen über den Laufsteg schickte, denen er im Alter von nur 40 Jahren selbst zum Opfer fiel. In ihrem großartigen Dokumentarfilm "McQueen" erzählen Ian Bonhôte und Peter Ettedgui seine Geschichte mit viel Einfühlungsvermögen, mit Bildern, die immer noch gut sind für eine Gänsehaut.
Augsburger Puppenkiste - Geister der Weihnacht
Eine Marionetten-Version von Charles Dickens' Klassiker, großväterlich versöhnlich erzählt vom geläuterten Scrooge. Während die neueren Produktionen der legendären Augsburger Puppenkiste oft poppig glitzernd den Bedürfnissen moderner Kinder entgegenkommen, folgen Julian Köberer und Judith Gardner noch mal handgeschnitzer Tradition. Damit empfehlen sich die Geister der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht als feines Kinder-Eltern-Programm.
Berlin Excelsior
Ein scheiternder Start-up-Gründer. Ein Ex-Showgirl, das zu keinen Filmcastings mehr eingeladen wird. Ein 49-jähriger Gigolo, der Make-up-Tutorials dreht und behauptet, er wäre um die dreißig. Und ein zynischer Rentner, der ihnen allen beim Versuch zuschaut, dem Versprechen des Erfolgs nachzujagen. Regisseur Erik Lemke hat einen Dokumentarfilm über einige Mieter eines gigantischen Wohn-Hochhauses in Berlin-Kreuzberg gedreht. Schonungslos und sehr komisch und sehr traurig.
Die Erbinnen
Hier geht es einmal nur um Frauen, Männer spielen Nebenrollen. Ein Paradies der Gleichberechtigung? Von wegen. Marcelo Martinessi erzählt von einem lesbischen Paar, das schon ewig zusammen ist und ungute Routinen entwickelt hat: Als die extrovertierte Chiquita ins Gefängnis muss, kommt ihre träge Partnerin Chela endlich in Bewegung. Sie wird zur Chauffeurin für wohlhabende Damen, fährt mit dem alten Mercedes ihres Vaters herum. Eine stille Emanzipationsgeschichte aus Paraguay, über deren politische Dimension sich nur spekulieren lässt.
Der Grinch
Wie eine Zombieherde verfolgen sie ihn, die fidelen Weihnachtssänger mit ihren ewig gleichen frohen Weisen. Da wird der Grinch grantig, auch sechzig Jahre nach seinem ersten Auftritt in einem Kinderbuch des amerikanischen Autors Dr. Seuss und etlichen Verfilmungen. Jetzt stapft der kermitgrüne Weihnachtshasser durch einen Animationsfilm der "Minions"-Produzenten, und das sieht man ihm auch an: Scott Mosier und Yarrow Cheney setzen auf Tempo, Gags und ein bisschen Anarchie, nur die Moral der Geschichte ist so zuckersüß wie eh und je.
The House That Jack Built
Ist das noch ein Film oder schon das Dokument einer Selbsttherapie, der Aufschrei einer gequälten Seele? Der dänische Kino-Maniac Lars von Trier kämpft mit Depressionen, und all seine Ängste versucht er in der Geschichte des Serienkillers Jack (Matt Dillon) zu bannen. Dafür müssen viele Frauen (und ein paar wenige Männer) grausam gequält und getötet, Kinder erschossen, Tiere verstümmelt werden. Es scheint, als wünsche sich Trier mitsamt seinem Protagonisten selbst in die tiefste Hölle. Eine ausführliche Kritik lesen sie hier.
Das krumme Haus
Ein altes britisches Herrenhaus, ein mysteriöser Mord am Patriarchen, missgünstig intrigante Verdächtige in drei Generationen einer Großfamilie, und ein junger methodischer Detektiv (Max Irons). Es ist also alles drin, was zu einem ordentlichen Murder Mystery der gerade wieder sehr populären Agatha Christie gehört. Gilles Paquet-Brenner inszeniert das recht konventionell, aber Schauspieler wie Gillian Anderson, Christian Hendricks, Glenn Close, Julian Sands und Terrence Stamp haben Spaß an den Facetten der Boshaftigkeit.
Lost Art - Josef Urbach
Einen neuen Zugang zum NS-Raubkunst-Thema hat Tilman Urbach mit dieser Doku gefunden. Er geht darin auf die Suche nach Werken seines Großonkels, dem Expressionisten Josef Urbach. Die Bilder hingen im Folkwangmuseum - bis sie als "entartet" entfernt wurden. Statt der Gemälde spürt er Nachfahren der jüdischen Sammler Urbachs auf, die ihm helfen, Licht in die Geschichte zu bringen. Der Film lebt von seiner Intimität, doch das reicht nicht ganz, um den Zuschauer mit dem eher marginalen Fall zu fesseln.
November
Ein ärmlicher estnischer Bauernhof der frühen Neuzeit. Die Pest geht um und die strupphaarigen Menschen spucken nach der Kommunion die Oblaten wieder aus, ihr Aberglaube ist real. Der Wald ist voller Totengeister, Werwölfe und dümmlicher Teufelswesen, die im Tausch gegen Blutstropfen dem "Kratt" eine Seele geben, den jeder Bauer auf dem Hof hat: arbeitswütige Maschinenknechte aus Eisenstangen, Rindsschädeln und Messern. Rainer Sarnet hat in glasklarem Schwarz-Weiß einen schelmischen Volksmärchenfilm über verbotene Sehnsucht gedreht. Eine junge Frau liebt einen jungen Mann, der aber die schlafwandelnde deutsche Baroness verehrt.
Piripkura
Nur zwei Männer vom Stamm der Piripkura haben das Massaker der Eindringlinge überlebt. Noch gibt es ein Gesetz, das die Ureinwohner schützen soll. Dafür muss alle zwei Jahre nachgewiesen werden, dass es sie noch gibt. Mariana Oliva und ihr Team begleiten die Suche im brasilianischen Dschungel in ruhiger Bewegung, ganz auf die zwei Überlebenden konzentriert, die plötzlich auftauchen, nackt und hungrig. Ihr Feuer ist vor zwei Jahren erloschen. Sie lächeln freundlich, ein bisschen ängstlich, nicht nur ihre Lage ist prekär, ihr ganzes Wesen scheint so zerbrechlich zu sein, dass man sich wundert, wie ihr Stamm hier Jahrhunderte überlebte. Bis die Goldsucher kamen.
Sauvage
Ein schwuler junger Mann verkauft seinen Körper. Er küsst seine Kunden sogar freiwillig und lebt auf der Straße. Er scheint keine Geheimnisse zu haben, so wie jene Menschen, die selbst ein Geheimnis sind, weil sie nicht wissen wohin - und statt auf ein Ziel zuzugehen, einfach nur glühen, glühen, glühen. Camille Vidal-Naquet lässt diese Flamme im Wind flackern - bis zu einem berührenden Ende, an dem es weder Wind noch Flamme gibt, nur noch Wärme, die sich entfernt.
Sandstern
Das Land, die Sprache, die beiden, die er Mutter und Vater nennen soll: Alles ist Oktay (Roland Kagan Sommer) fremd. Bisher hat der Gastarbeiter-Sohn bei seiner Oma in der Türkei gelebt. 1980 holen ihn die Eltern nach Deutschland, wo der Zwölfjährige nicht ernst genommen, beleidigt und verprügelt wird. Das Leben meint es nicht gut mit ihm. Die Fülle der Widrigkeiten droht, Yilmaz Arslans Film auszufransen. Gelungen sind aber die Momente des Ankommens, die es trotz tiefer Wut und Traurigkeit gibt.
Die unglaubliche Reise des Fakirs
Blau ist der Himmel über Mumbai, gelb das Hemd des jungen Inders Aja, der nach Paris aufbricht und sich dort in einem blaugelben Möbelhaus in eine Amerikanerin in rotem Kleid verliebt. Bevor diese Liebe wachsen kann, verschlägt es Aja in einem bollywoodesken Strudel aus Zufall und Schicksal auf eine Reise durch ganz Europa. Ken Scott adaptiert den Roman-Bestseller von Romain Puértolas und macht daraus einen heiteren Film, eine etwas arglose Parabel darauf, dass Optimismus alle Widerstände überwindet.