Da steht die kleine, muntere Kati in einer Gruppe alter Männer, die aussehen, als ob das Mädchen sie selbst mit dickem Buntstift Krikel-Krakel an die Wand gemalt hätte. Nicht ganz ordentlich, die Farbe geht überall ein bisschen über die Linien. Übereinander, nebeneinander drücken sie sich und scheinen sehr vergnügt zu sein. Einer trägt ein Led Zeppelin-Shirt. Kati hat auf die Frage, was sie einmal werden will, "Großvater" geantwortet. Die Erwachsenen auf der nächsten Doppelseite reagieren mit Gelächter. Noch ahnen sie nicht, dass Kati ein wunderbares Vorbild für ihre Zukunftspläne hat: den eigenen Großvater, der nur "Großvaterdinge" tut: mit großen Händen Akkordeon spielen, Zitronenbonbons und Streichhölzer in den Taschen dabei haben und an jedem zweiten Sonntag des Monats Nachschub im Dorfladen kaufen.
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Aber das Allerschönste dabei ist: "Großväter haben es nie und nimmer eilig. Sie tragen eine weiße Wolke auf dem Kopf und schieben die Tage vor sich her, wie es ihnen gefällt." Diese heitere Sicht auf das Alter ist ungewöhnlich in Büchern für junge Leser. Oft wird davon erzählt, wie eine Familie mit Demenz umzugehen lernt, zum Beispiel in Tatjana Mai-Wyss' "Anna mag Oma und Oma mag Äpfel" (Bohem). Oder davon, dass Großeltern sterben, wie bei Michael Friemel und Jacky Gleich in "Oma Erbse" (Hanser).
Die junge lettische Autorin Signe Viška zeigt in ihrem Bilderbuch "Kati will Großvater werden", welche Vorzüge es für die Enkel hat, wenn da ein Familienmitglied ein sichtlich ruhiges, zufriedenes Leben führt. Ein Leben, das die Kinder in ihrem hektischen Alltag oft nicht haben. Mit großem Einfallsreichtum versucht Kati so zu werden wie ihr Vorbild. Sie zieht sich dicke Handschuhe an, um große Hände zu haben, spielt Akkordeon, packt sich Streichhölzer und Bonbons in die Taschen und liegt, unter der Zeitung eingeschlafen, auf dem Sofa.
Problematisch wird es nur, als sie versucht, weißes Wolkenhaar auch auf ihrem Kopf wachsen zu lassen. Ebenso wenig wie Kati setzt auch die lettische Illustratorin Elīna Brasliņa ihrer Fantasie Grenzen. Die dicken, kräftigen Buntstiftstriche fegen über die Seiten, wirbeln die Ideen und die Einfälle des Mädchens durcheinander, ohne auf besondere Formen zu achten. Da ist es fast ein Wunder, dass sie am Schluss beide ruhig am Tisch sitzen, die zwei Großväter, und die "schönsten Großvaterdinge tun".