"Killing Time" im Kino:Mörderische Scheherazade

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Eine Arbeit, die kurzem pointiertem Handeln langes Warten gegenüberstellt: Christian Gutau als Killer in "Killing Time - Zeit zu sterben". (Foto: drei-freunde)

In "Killing Time" trifft amerikanischer Killerfilm auf rumänische Neue Welle. Profikillen wird in diesem Gauklerstück zum Geschäft - und ein Zirkus der Einsamkeit.

Von Fritz Göttler

Gottes einsamste Männer, die Profikiller des internationalen Kinos, im amerikanischen bevölkern sie ein eigenes Genre, in Europa treten sie eher vereinzelt auf. Einsam wie die Tiger im Dschungel, Autisten des Todes - Vince Edwards bei Irving Lerner, Lee Marvin bei Don Siegel, Alain Delon bei Melville. Erst Tarantino hat die Killer zu hippen sprach- und selbstverliebten Monstern gemacht, Samuel L. Jackson und John Travolta, davon hat sich das Genre noch nicht wieder erholt.

In "Killing Time" von Florin Piersic Jr. trifft der Killerfilm nach "Pulp Fiction" auf die berühmte rumänische Neue Welle, die schon diverse klassische Genres dekonstruiert und dann wieder neu belebt hat und dem Kino einen ganz neuen Begriff von existentialistischer Action gab.

In der großen Leere, die das Land seit der Wende quält - politisch, wirtschaftlich, in der Kommunikation seiner Menschen -, ist das Profikillen zum Geschäft geworden, das krank macht. Eine Arbeit, die kurzem pointiertem Handeln langes Warten gegenüberstellt. Diese zäh verrinnende, tote Zeit, halbe Tage, die man auf seine Opfer wartet, immer präsent und höchst aufmerksam, um sie dann mit ein paar Schüssen aus der Nähe niederzustrecken, in ihren stereotypen Apartments, mit dem immer gleichen trostlosen Blick auf die Stadt. Eine Runde Heim-Pingpong kann da auch nur begrenzt helfen gegen die Spirale ihrer Depression.

Erbärmliche Killer

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Sie sehen gotterbärmlich aus, die beiden Killer dieses Films, Florin Piersic - er kommt aus einer Schauspielerfamilie, spielt einen der Killer selbst - und Cristian Gutau. Sie hocken auf dem Sofa in ihren schlotternden schwarzen Anzügen und heraushängenden weißen Hemden, zupfen sich nachdenklich an den wirren Haaren, erzählen einander Geschichten und verzetteln sich in merkwürdige Debatten. Wer der coolste Superheld ist, Spider-Man oder Batman, wie's um das Sex-Leben dieser Superhelden bestellt ist, welcher von ihnen den größten Schwanz hat.

Spider-Man kommt dabei nicht so gut weg, schon wie er posiert, immer in der Hocke, als wäre er dabei zu scheißen. Seit die Killer zu zweit arbeiten, plagt eine komische und morbide Geschwätzigkeit das Genre, und eine schmerzliche Überheblichkeit. Der Augenblick, wo wir glauben alles verstanden zu haben, schrieb E. M. Cioran, gibt uns das Aussehen eines Mörders. Cristian Gutau schaut als Killer Nr. 2 wie ein Schwindsüchtiger aus einem Roman des 19. Jahrhunderts aus, ein langes klappriges Gestell und ein Eindruck von nuschliger Erschöpfung, lange Haare und ein krauses Bartgeflecht am Kinn, ein schmales Gesicht mit dunklen Augenringen, kaum noch Zähne im Mund.

Wieviel Phantasie braucht ein Killer, fragt der Film, und wieviel tut ihm am Ende gut? Wenn Gutau anfängt, seinem Kollegen Geschichten zu erzählen, wirkt er wie in Trance, wie ein Improvisationskünstler. Einmal erzählt er eine phantastische Episode vom perfekten Mord an einem Zwerg, der erfolgreich im Zirkus ist. Die Geschichte spielt in einem Raum in absoluter Dunkelheit, und dort glaubt dann der Zwerg, seine Physis zu verlieren und damit auch die Basis seines Berufs. In solchen Momenten spürt man, wie gefährlich dieser Mann ist, den Gutau spielt, wie professionell. Eine mörderische Scheherazade.

Killing Time, Rumänien 2012 - Regie, Mit: Florin Piersic Jr., Cristian Gutau, Olimpia Melinte, Florin Zamfirescu. Drei-freunde, 99 Minuten. In deutschen Kinos ab dem 20. Februar 2014.

© SZ vom 25.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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