Nachruf auf Joseph Vilsmaier:Ganz nah dran

Regisseur Joseph Vilsmaier 2017 in München

Regisseur Joseph Vilsmaier bei der Verleihung des One-Future-Preises im Rahmen des Filmfestes München.

(Foto: dpa)

Er war Kameramann, Regisseur und Produzent, Autodidakt und Selfmade-Erfolgsmensch mit Gespür für die großen Geschichten. Der Urbayer Joseph Vilsmaier ist gestorben.

Von Rudolf Neumaier

Joseph Vilsmaiers letztes Filmprojekt handelte von Gevatter Tod. Die Bayern pflegen einen morbiden Humor im Umgang mit ihm. Sie nennen ihn Boandlkramer - was wörtlich übersetzt "Knochenhändler" heißt. Zusammen mit Bully Herbig hat der bayerische Filmemacher dem Tod eine Romanze angedichtet. "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" ist seit Dezember abgedreht, wohl auch schon weitgehend fertig, im Januar stellte Vilsmaier Szenen aus der Komödie auf der Münchner Filmwoche vor. Doch die Premiere seines lang erwarteten Projekts wird er nicht mehr erleben. Der Boandlkramer hat Joseph Vilsmaier nun selbst mitten aus der Arbeit gerissen.

Hätte Vilsmaier einen Film über Vilsmaier gedreht, eine Autobiografie, hätte ihm genau dieser Schluss womöglich gepasst. Als Pointe. Vilsmaier konnte lakonisch sein. Er konnte mit wenigen Worten viel sagen. Geschichten schrieb dieser Künstler mit Bildern.

Er hat ziemlich lang studiert. Das war nicht ungewöhnlich, als Joseph Vilsmaier jung war. Er studierte Musik mit dem Schwerpunkt Klavier. Neun Jahre, das sind 18 Semester - für heutige Verhältnisse unvorstellbar viel Zeit. Vilsmaier nutzte sie nicht nur zum Klavierüben, er wollte ja nicht Klavierlehrer werden oder Korrepetitor an einem Theater. Er nutzte die Zeit, um das Leben und die Menschen zu studieren, und er jobbte beim Film. Konsequent wie er war, wandte er sich nach seinem Abschluss am Konservatorium dem Film zu.

Es gibt Cellisten, die als Dirigenten reüssieren. Und Balljungen, die Fußballstars werden. Und Sekretärinnen, die Bestseller schreiben. Auch bei Joseph Vilsmaier kam es, wie es bei einem solchen Talent kommen musste: Vom technischen Gehilfen im Filmstudio stieg er zum Kameramann auf. Und der Kameramann wollte dann mehr. Er traute sich zu, die Schauspieler selbst in Szene zu setzen und Geschichten nicht nur zu filmen, sondern sie auch zu erzählen. "Film", sagte er einmal, "das ist Emotion". Zu seinen großen Kunstfertigkeiten gehörte es, große Emotionen in kleinen Gesten aufzuzeichnen, um sie an die Betrachter weiterzugeben und ihre Mitgefühle zu evozieren.

Vom technischen Assistenten zum Filmemacher - die Begabung gibt den Weg vor

Gerade bei den historischen Stoffen setzte er auf diese Methode, bei seinem ersten Kinofilm "Herbstmilch" im Jahr 1988 ebenso wie beim Nachfolger "Rama dama" drei Jahre später und beim Antikriegsfilm "Stalingrad" (1993). In "Herbstmilch", einem Bauerndrama aus Niederbayern, wo er selbst aufgewachsen war, setzte er der Generation seiner Eltern und Großeltern ein Denkmal - und zwar denen, die den Nazis widerstanden hatten. Vilsmaier war ein Nostalgiker, der sich vor Menschen verneigte, die unter widrigen Umständen überlebt und dabei ihren Anstand und Empathie bewahrt hatten. Dieser Linie blieb er auch bei der Großproduktion "Comedian Harmonists" treu.

Auf sein Gefühl für sprechende Details konnte er sich verlassen. Mit Vilsmaier ist ein Künstler zu betrauern, dem Theorien ziemlich fremd waren. Er erzählte aus dem Bauch heraus. Und weil er seiner Intuition so sehr vertraute, dass er sich von niemandem nicht dreinreden ließ, höchstens von seiner Frau Dana Vávrová, die vor elf Jahren an Krebs starb, weil er also ein durch und durch unabhängiger und hemdsärmeliger bayerischer Autokrat vor dem Herrgott war und bleiben wollte, gründete er eine eigene Produktionsfirma. Es wäre keinem gut bekommen, der den Sepp, wie ihn seine Kollegen nannten, in seiner unbändigen Energie hätte ausbremsen wollen. Der Erfolg gab ihm recht. Das Geschäft war einträglich, die Preise häuften sich. In Finnland und Japan wurde der Urbayer Vilsmaier geehrt, in Uruguay, Wien und Berlin.

"Der Boandlkramer und die ewige Liebe", mit Bully Herbig, Hannah Herzsprung und Hape Kerkeling als Teufel sollte im November in die Kinos kommen. Nach Herbigs Idee handelt es sich um eine Fortschreibung der "Geschichte vom Brandner Kaspar", die Vilsmaier im Jahr 2008 drehte. Ein alter Kleinbauer trickst den Boandlkramer aus und verlängert sein Leben - Vilsmaier liebte diese Geschichte. "Den Tod besiegen wollen wir doch alle", sagte er, "schön an dem Stück ist aber, dass es dem Zuschauer die Angst vor dem Tod nimmt." Am Mittwoch kam die Nachricht, dass der Filmkünstler und Bauchmensch Joseph Vilsmaier plötzlich und unerwartet gestorben ist. Er wurde 81 Jahre alt.

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