Kolumne "Nichts Neues":Wir wollen, was sie hatte

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"Ich will genau, was sie hatte": Estelle Reiner im Film "Harry und Sally". (Foto: Bearbeitung SZ)

Wie Estelle Reiner Filmgeschichte schrieb.

Von Johanna Adorján

Jeder kennt die Szene aus "Harry und Sally" (1989), die bei Katz's Delicatessen spielt, wo Meg Ryan (Sally) Billy Crystal (Harry) vormacht, wie leicht man als Frau einen Orgasmus vortäuschen kann. Während ihr Stöhnen in mehreren laut ausgerufenen "Yes!" mündet, bei denen sie mit beiden Händen auf den Tisch schlägt, sieht man in seinem Gesicht wichtige Säulen des Patriarchats in sich zusammenfallen. Der eigentliche Witz der Szene kommt aber erst noch. Als nämlich der Kellner am Nachbartisch die Bestellung aufnimmt, sagt die dort sitzende ältere Frau: "I'll have what she's having" (in der deutschen Synchronfassung: "Ich will genau, was sie hatte").

Es ist eine der berühmtesten Zeilen der Filmgeschichte. Wie sie entstand, ist deshalb interessant, weil man hier lernen kann, dass die größten Genies diejenigen sind, die nicht darauf bestehen, alles alleine zu machen. Eben Nora Ephron, die das Drehbuch schrieb, und Rob Reiner, der Regie führte.

Anstatt nur darüber zu reden, könnte sie doch einen Orgasmus vormachen, meinte Meg Ryan

In einem Interview haben die beiden einmal die Genese dieser legendären Szene erzählt. Es begann damit, dass Ephron beim Brainstormen über Männer und Frauen, das Thema des Films, Reiner gegenüber erwähnte: Hey, wusstest du eigentlich - dass Frauen Orgasmen vortäuschen? Reiner hatte davon noch nie gehört, glaubte es eigentlich nicht und schloss auch sofort aus, dass das irgendeine Frau schon mal bei ihm gemacht hätte. Herrlich, dachte Ephron, und das Thema landete im Drehbuch (mitsamt seiner Reaktion).

Bei der Leseprobe schlug dann Meg Ryan vor, anstatt nur darüber zu reden, könnte sie doch einen Orgasmus vormachen. Großartige Idee, fanden alle. Am besten irgendwo, wo viele Leute sind - also wurde die Szene aus einer Wohnung in ein Restaurant verlegt. Billy Crystal fiel dann der geniale Satz vom Nebentisch ein. Und als Reiner überlegte, welche reizende ältere jüdische Dame diese sagen könnte, kam er auf seine eigene Mutter, damals 74 Jahre alt, die ohnehin gerne zu Katz's ging. Es ist nur ein Satz, aber Estelle Reiner (1914 - 2008) ist mit ihm unsterblich geworden.

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