Es ist ein Treffen zwischen zwei jüdischen Intellektuellen, die auf entgegengesetzte Weise mit Deutschland hadern. Die Philosophin Susan Neiman, 1955 geboren in den USA, hat sich für ein Leben in Deutschland entschieden. Sie spürt heute eine größere Freundlichkeit gegenüber Juden, teils sogar eine aus schlechtem Gewissen herrührende überzogene politische Korrektheit, die mitunter dazu führe, dass der deutsche Staat Kritik an Israel unterdrücke. Neiman, die seit 20 Jahren das Einstein-Forum leitet, hat sich deshalb im Dezember mit rund 20 anderen großen deutschen Kulturinstitutionen zur "Initiative Weltoffenheit" zusammengeschlossen, die die Folgen des BDS-Beschlusses des Bundestags für die Meinungsfreiheit in Deutschland beklagt: Mit der 2019 verabschiedeten Resolution forderte der Bundestag, dass Vertreter der Boykottbewegung gegen Israel nicht mehr in öffentlichen Räumen auftreten dürfen. Der Historiker Michael Brenner hingegen, 1964 geboren in Weiden in der Oberpfalz, ist nach einer Jugend in Deutschland immer öfter fortgegangen aus diesem Land. Heute lehrt er teils in Washington, teils an der Universität München, wo er auch Direktor des Zentrums für Israelstudien ist. Er widerspricht dem Befund der "Initiative Weltoffenheit", in Deutschland hätten es Israelkritiker schwer. Ein Streitgespräch.
Auseinandersetzung mit Israel in Deutschland:"Das kann wie Zensur wirken"
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Verklärt die deutsche Vergangenheit die israelisch-palästinensische Gegenwart? Ein Streitgespräch zwischen Susan Neiman und Michael Brenner über den Umgang mit Israelkritik in Deutschland.
Interview von Jörg Häntzschel und Ronen Steinke
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