Kants Denken besteht aus vielen Zimmern. Betritt man etwa sein reich ausgestattetes Kabinett, das den Namen "Leseanweisungen" trägt, will man sofort in den "Originalitäts"-Flügel, wo sich ein paar sehr spezielle Texte finden lassen. Zum Beispiel der "Muthmaßliche Anfang der Menschengeschichte", eine "Lustreise", die Ende Oktober 1785 abgeschlossen und im Januar des Folgejahres in der Berlinischen Monatsschrift veröffentlicht wurde. Im Mittelpunkt steht darin eine Analyse der Kapitel zwei bis sechs des ersten Buch Mose. Sie werden gedeutet als Ensemble von Geschichten, die sich nach Kant als fortlaufender Bericht über die Menschwerdung des Menschen begreifen lassen. In seinen Worten: "Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß der Ausgang des Menschen aus dem sich ihm durch die Vernunft als erster Aufenthalt seiner Gattung vorgestellten Paradiese nicht anders als der Übergang aus Rohigkeit eines bloß tierischen Geschöpfes in die Menschheit, aus dem Gängelwagen des Instinkts zur Leitung der Vernunft, mit anderem Worte: aus der Vormundschaft der Natur in den Stand der Freiheit gewesen sei."
300. Geburtstag von Immanuel Kant:Raus aus der Rohigkeit
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Wie Kant die Menschwerdung des Menschen mit der Bibel erklärt - und die ganze Theologie damit gegen sich aufbringt.
Von Thomas Meyer
300. Geburtstag von Immanuel Kant:"Ein schillernder Aufsteiger"
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