Im Kino: Kindsköpfe:Mama, gib mir Milch

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Triumph der Kindheit und der Anarchie: In der Komödie "Kindsköpfe" entdecken Adam Sandler und seine Kollegen das Kind im Mann - und zelebrieren ihre wiedergefundene Infantilität.

Fritz Göttler

Mami, sagt der hübsche, adrette Bub, jetzt mag ich aber meine Milch. Na dann komm, sagt Maria Bello - sie ist die Mami - und lächelt duldsam, sie macht die Brust frei und der Bub zockelt heran und fängt zu nuckeln an. Die Freunde drumherum schauen ein wenig perplex, und einer fragt dann, wie alt der Bub denn sei. Kevin James - er ist der Vater - schaut kurz in die Runde, als würde er kurz überlegen, dann antwortet er: 48 Monate.

Das Leben ist eine einzige Party: Adam Sandler (2.v.l.) und seine Jungs haben in "Kindsköpfe" Spaß am Plantschen. (Foto: APN)

Das ist der einzige Moment, da in diesem Film ein wenig geschummelt und geschönt wird, ansonsten wird uns ein freimütiger, ungenierter, radikaler Blick auf die amerikanische Männerseele geboten.

"Grown Ups", der bei uns - eine eher kindische Verleihentscheidung - "Kindsköpfe" heißt, ist eine amerikanische Komödie im XXX-Format, Adam Sandler plus Chris Rock plus David Spade plus Rob Schneider plus Kevin James, die sich gegenseitig aufgeilen und demolieren - eine archaische Stand-up-Komiker-Boygroup, die die Schmerzgrenze grundsätzlich ignoriert.

Fünf Mittvierziger, die nach Jahren getrennten Wirkens und Karrierebauens in die Heimatstadt zurückkommen, mit ihren Familien, um die Trauerfeier und den Urnengang für den alten Basketballtrainer zu begehen - der ihnen einst, im Jahr 1978, die Parolen fürs Leben, fürs Teamplay, fürs Erfolghaben mitgegeben hatte - und sehen, was von damals geblieben ist, an Teamgeist und an Lebenslust.

Es ist, anders als viele Adam-Sandler-Filme, eine Ostküstenkomödie, das heißt, die fünf fahren im Familien-SUV vor und machen, trotz gedrungener Figur, einen passablen Eindruck. Ganz dicke kommt es erst, wenn sie, nach der Trauerfeier, im alten Ferienhaus am See in den Bergen sich einquartieren, die schlabbrigen T-Shirts und weiten Hosen und wuchtigen Basketballlatschen rausholen, und das damit verbundene "Zurück zur Natur".

Die fünf sind amerikanisches Urgestein, in der Tradition von Lederstrumpf und Tom Sawyer und Captain Ahab und Mack Swain aus der Truppe von Mack Sennett - Kevin James beweist eine körperliche Robustheit, die vielen Slapstickhelden ebenbürtig ist.

Der Film ist ein Loblied auf die Regression, auf die Sehnsucht nach dem Kindischsein, auf die Fähigkeit, die eigene Infantilität zu bewahren, als Rekreativ- und Produktivkraft. Die geschäftliche Elite ist hier versammelt, Adam Sandler ist ein erfolgreicher Hollywoodagent, seine Frau, Salma Hayek, eine berühmte Modedesignerin - die Familie ist an diesem Wochenende quasi auf dem Sprung nach Milano, zur Präsentation einer ihrer neuen Kreationen.

Hat Adam Sandler Angst vor der eigenen Ernsthaftigkeit, haben sich Kritiker immer wieder gefragt. Wenige Komiker sind seit Jahren so erfolgreich wie er, kein anderer hat so viele unerwartet ernste Filme gemacht, "Punch Drunk Love" oder "Reign Over Me" oder "You Don't Mess With the Zohan", aber nach einem solchen Film hat er uns gern richtige Plotten verabreicht,"Bedtime Stories" etwa oder eben "Grown Ups".

Filme mit ausgeleiertem Plot, mit stereotypen Witzfiguren, Biertischmaterial, Machowitze unter der Gürtellinie - dennoch hat "Grown Ups" in Amerika mit 200 Millionen Dollar das höchste Sandler-Einspiel seit langem gehabt, und es sind knapp über fünfzig Prozent Frauen, die sich den Film angeschaut haben.

Der Film preist die Unförmigkeit, aber er weiß durchaus die Formen zu wahren. Einmal sieht man vier der Grown Ups auf ihren Gartenstühlen aufgereiht, sie schauen zu, wie ein Mädchen vornübergebeugt sich dem Motor ihres Wagens widmet.

Das geht nicht, meint Sandler schließlich, mit einem Anflug von Korrektheit, also wechseln sie nun immer ab, zwei schauen auf den Po, zwei auf die Bäume im Wald, und Sandler gibt jeweils das Kommando. Trieb und Dezenz sind elegant zusammengebracht, aber natürlich kommen sie bald aus dem Rhythmus: Kann es sein, dass wir gerade alle vier die Bäume anstarren?

GROWN UPS, USA 2010 - Regie: Dennis Dugan. Buch: Adam Sandler, Fred Wolf. Kamera: Theo van de Sande. Musik: Rupert Gregson-Williams. Schnitt: Tom Costain. Mit: Adam Sandler, Kevin James, Chris Rock, David Spade, Rob Schneider, Salma Hayek, Maria Bello, Maya Rudolph, Colin Quinn. Sony, 102 Minuten.

© SZ vom 07.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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