Cinerama Dome in Hollywood:Zu Hilfe, Tarantino

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Ein Kino-Denkmal am Sunset Boulevard: Der Cinerama Dome soll geschlossen bleiben, weil er sich nur bei voller Auslastung rentiert - und die ist nicht in Sicht. (Foto: Mario Tama/AFP)

Das legendäre US-Kino Cinerama Dome soll schließen. Hollywood trauert - und hofft auf prominente Retter.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Quentin Tarantino ist unfassbar verliebt in dieses Kino mit der Kuppel auf dem Sunset Boulevard, und um zu verstehen, wie traurig es ist, dass der Cinerama Dome in Hollywood wohl für immer schließen wird, reicht diese kleine Anekdote von der Premiere des Films "Once Upon a Time in Hollywood": Der Regisseur begrüßte die Gäste, und dann sagte er ihnen, dass er am Tag davor endlich sein anderes Werk, "The Hateful Eight" , auf der gebogenen Leinwand des Cinerama habe sehen dürfen. Die Leute raunten, denn sie wussten, dass Disney damals die Premiere in diesem Kino verhindert hatte, weil es "Star Wars: The Force Awakens" mehrere Wochen lang dort hatte zeigen wollen. Der Betreiber Pacific Theatres soll gar mit "Star-Wars"-Boykott in allen anderen Filialen gedroht haben. Es war der Beginn einer wunderbaren Feindschaft von Tarantino mit Disney.

Solche Geschichten erzählen sich die Leute jetzt, da es heißt, dass dieses legendäre Kino nicht wieder öffnen werde, weil es nicht lohnenswert sei. In der Trauer erzählt ein jeder immer ein wenig von sich selbst - man erinnert sich als regelmäßiger Zuschauer in diesem Kino beispielsweise daran, wie man Woody Harrelson in der Lobby über den Haufen gerannt hat, wie man sich dort bei "La La Land" neu in Los Angeles verliebte oder bei "Once Upon a Time in Hollywood" einschlief , weil man den Film zwar unbedingt in 70 Millimeter sehen sollte, dafür aber viel zu müde war. Schauspieler Joseph Gordon-Levitt erzählte, dass er hier mit seinem Vater "Star Trek IV " gesehen habe; Komikerin Mindy Kaling hat hier bei Verabredungen getestet, ob das Date ein Idiot sei. Regisseurin Gina Prince-Bythewood beklagte, dass der Dome eines der wenigen verbliebenen Kinos für Filmfans sei. Drehbuchautor David Ayer nannte es einen "heiligen Ort", den er aufsuche, um Filme zu studieren und sie zu erleben.

Dieses Kino braucht sein Publikum, um grandios zu sein

Das liegt wohl an der Kuppel aus 316 Panels, von denen eines bis zu 3000 Kilo wiegt und die aus einem Material gefertigt sind, das kein Geräusch aus den 44 perfekt positionierten Lautsprechern reflektiert. Die Leinwand ist wieder im gebogenen Originalzustand vom 7. November 1963, als das von Pierre Cabrol entworfene Kino mit dem Film "Eine total, total verrückte Welt" (natürlich im 70-Millimeter-Format ) eröffnet wurde . Schrullige Anweiser in blauen Shirts bringen einen zum Platz; Popcorn schmeckt, wie es im Kino schmecken muss (Butter selbst auf der untersten Flocke), und jeder weiß, dass man geteert und gefedert würde und zum Hollywood Boulevard laufen müsste, wagte man es, ein Handy zu zücken.

Es ist ein Erlebnis, zum Beispiel "2001: Odyssee im Weltraum" mit 800 anderen Leuten in diesem Saal zu sehen, und man will danach jeden, der behauptet, dass man so einen Film doch auch bequem daheim auf der Couch gucken kann, entmündigen lassen. Warum muss so ein Kino schließen, wo es doch derart grandios ist? Pacific Theatres hat 2002 zum Kuppelkino 14 weitere Säle dazugebaut, und all das steht seit mehr als einem Jahr leer. Nun dürfen die Kinos mit 25 Prozent der Gesamtkapazität gefüllt werden, bald mit 50 - allerdings: Der Dome muss voll sein, damit er seinen Zauber entfaltet, und finanziell ist es wie für viele Restaurants und Bars verheerender, 50 Prozent zuzulassen, als komplett zu schließen.

Wird ausgerechnet der Streamingdienst Netflix das Kino retten?

Es heißt nun, dass ausgerechnet Streaming-Platzhirsch Netflix Interesse am Cinerama haben könnte. Der Konzern hatte bereits das Paris Theater in New York und das Egyptian Theatre in Laufweite des Dome gekauft, um seine Projekte auch im Kino zu zeigen und sie so für die Oscars zu qualifizieren. Es heißt auch, dass eine Gruppe Filmemacher das Gebäude, das unter Denkmalschutz steht, gemeinsam übernehmen könnte; vielleicht sogar Tarantino, dessen zweites Wohnzimmer es ja ist. Tarantino müsste dann freilich "Once upon a Time in Hollywood" noch mal zeigen. Es gibt da einen Trick, das Einschlafen zu verhindern - Tarantino wendet ihn angeblich gerne auch bei Dreharbeiten an: nach jeder dramaturgisch wertvollen Szene hochprozentigen Alkohol trinken.

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