Nachruf auf Hartmut Becker:Der Bariton-Mann

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Hartmut Becker, hier im Jahr 2008. (Foto: imago images/APress)

Verlässliche Souveränität: Der Schauspieler Hartmut Becker, bekannt durch viele Fernsehrollen, ist im Alter von 83 Jahren gestorben.

Von Christine Dössel

Hartmut Becker, hier im Jahr 2008. (Foto: imago images/APress)

Sein Gesicht kannte man. Auch wer den Fernseher nicht beim "Traumschiff" oder bei "SOKO Leipzig" einschaltet, wird bei seinem Anblick denken: Ach so, der! Hartmut Becker. Ein hoch gewachsener, bis ins Alter schlank gebliebener Mann mit dem freundlichen Intellektuellengesicht eines Büchermenschen - hohe Stirn, grau melierte Haare - und einer markant-tiefen Stimme, die er als Synchronsprecher dem US-Schauspieler Kris Kristofferson lieh. Hartmut Becker war beides: Schauspieler und Homme de lettres. Er hatte in Berlin Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie studiert, schrieb Drehbücher und einige Theaterstücke . Bekannt aber wurde er als Schauspieler, der mit verlässlicher Souveränität und sonorem Bariton in gut hundert Fernseh- und Kinoproduktionen mitgewirkt hat.

Geboren wurde Becker am 6. Mai 1938 in Berlin, wo er an der Freien Universität sein Studium und bei Else Bongers eine Schauspielausbildung absolvierte. Danach hatte er Theaterengagements in Braunschweig, Bielefeld, an den Münchner Kammerspielen und längere Zeit auch am Residenztheater, in den Achtzigerjahren am Berliner Schiller- und Renaissancetheater. Sein Kinodebüt gab er 1970 in Michael Verhoevens skandalträchtigem Schwarzweißfilm "o.k.", in dem der Regisseur ein Verbrechen amerikanischer Soldaten im Vietnamkrieg (bekannt als "Zwischenfall auf Hügel 192") mit Brecht'schen Verfremdungseffekten in einem bayerischen Wald nachstellen ließ: die Gruppenvergewaltigung und Ermordung eines vietnamesischen Mädchens im Jahr 1966. Mit Verhoeven arbeitete Becker dann noch öfter, spielte zum Beispiel an der Seite von Senta Berger und Marianne Blomquist den aus allen Konventionen ausbrechenden Werbemanager Igor in dem Drei-Personen-Film "Wer im Glashaus liebt ... Der Graben". Er propagiert darin die Liebe zu dritt und wandelt nackt durch die Wiener Innenstadt.

Vom Lagerkommandanten zum selbstgerechten Kardinal: ein deutsches Schauspielerleben

Becker wirkte auch in englischsprachigen Produktionen mit, etwa in Richard Attenboroughs hochkarätig besetztem Kriegsfilm "Die Brücke von Arnheim" (1977). Zu seinen berühmtesten Rollen zählt die des SS-Oberscharführers Gustav Wagner in dem britischen Fernsehfilm "Escape from Sobibor" (1987) von Jack Gold über den Ausbruch jüdischer Gefangener aus dem polnischen Vernichtungslager Sobibor 1943. Becker wurde für die Darstellung des sadistischen Lagerkommandanten, bekannt als der "Schlachter von Sobibor", sogar für einen Emmy nominiert. Er spielte auch in amerikanischen und italienischen Produktionen, etwa in Lina Wertmüllers Filmdrama "Heimlich, still und leise" (1989).

Hauptsächlich war Becker jedoch in den letzten dreißig Jahren im deutschen Fernsehen zu sehen, drehte mit Peter Patzak, Carlo Rola, Jeanine Meerapfel ("Der deutsche Freund" von 2012) und wirkte in vielen gängigen Serien mit. In Gerd Schneiders gerade wieder hoch aktuellem Spielfilm "Verfehlung" von 2015, in dem ein Priester des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wird, spielte er den machtbewusst-selbstgerechten Kardinal, der die Sache entschlossen unter den Teppich zu kehren gedenkt.

Am Samstag ist Hartmut Becker nach einer langen Krebserkrankung in Berlin gestorben. Er wurde 83 Jahre alt.

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