Zwickau:Merkel gedenkt der NSU-Opfer

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Es ist ein symbolischer Akt: Am zerstörten Gedenkbaum für das erste Todesopfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU legt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am...

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Zwickau (dpa) - Es ist ein symbolischer Akt: Am zerstörten Gedenkbaum für das erste Todesopfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU legt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Zwickau eine weiße Rose nieder. Vom Festakt für den Produktionsstart des E-Autos im VW-Werk ist die Regierungschefin in den Schwanenteichpark gekommen - ganz bewusst, wie sie betont. Weil vor genau acht Jahren ein Haus explodiert ist, bei dem sich im Nachhinein dann herausgestellte, dass es aufs engste verbunden war mit schrecklichen Morden.

Am 4. November 2011 war die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aufgeflogen. Zwischen 2000 und 2007 töteten die Terroristen acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Außerdem werden sie für zwei Sprengstoffanschläge und diverse Raubüberfälle verantwortlich gemacht. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hatten zuletzt in Zwickau gelebt.

Der Park ist hermetisch abgeriegelt. 350 Polizisten sind im Einsatz. Schon lange, bevor Merkel den Park erreicht, verhindern sie den Zutritt. Die Kanzlerin wird begleitet von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und der Zwickauer Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD). In Sicht- und Hörweite hinter einer abgeriegelten Kreuzung demonstrieren Vertreter von rechten und rechtsradikalen Organisationen.

Kretschmer sagt, man sei zusammengekommen, um Menschen die Ehre zu erweisen, die unschuldig und auf heimtückische Weise umgebracht worden seien. „Und es gibt Leute, die dagegen demonstrieren. Daran merken Sie, welchen Zeitgeist und welche Haltung diese Leute haben.“

Merkel lässt nicht erkennen, dass sie die Proteste wahrnimmt. Sie hört aufmerksam den Erklärungen zum Gedenkort zu. Dabei erfährt sie auch, dass die am Vortag gepflanzten Bäume zur Erinnerung an die zehn NSU-Todesopfer beschützt werden müssen. Anfang Oktober war der Gedenkbaum für Enver Simsek von Unbekannten abgesägt worden. Nun steht ein neuer Baum daneben.

An dem Erinnerungsort erneuert Angela Merkel ein Versprechen: „Wir haben Blumen niedergelegt und damit möchte ich ausdrücken, für die ganze Bundesregierung auch, dass wir alles tun werden, das habe ich den Angehörigen auch versprochen vor vielen Jahren schon, damit sich solche Dinge nicht wiederholen.“

Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen lobt den Besuch der Kanzlerin: „Es ist eine Wertschätzung für die Akteure vor Ort.“ Sein Verein gehört zum bundesweiten Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“. Die Initiativen setzen sich dafür ein, dass in Zwickau ein ständiges Bildungs-, Dokumentations- und Archivzentrum zu den Verbrechen des NSU-Trios und seines Unterstützerumfeldes eingerichtet wird.

Am Sonntag war im Anschluss an die Einweihung des neuen Gedenkortes ein provisorisches Dokumentationszentrum eröffnet worden. Zehn Tage lang kann man sich in der Zwickauer Innenstadt über die Opfer des NSU und dessen bis heute existierendes Netzwerk informieren. Durch den Besuch der Kanzlerin, die den Opfern des NSU eine lückenlose Aufklärung versprochen hatte, erhoffen sich die Initiatoren Aufmerksamkeit und Geld. Allein mit Geld aus Zwickau werde das nicht zu finanzieren sein, sagte Hannah Zimmermann vom Chemnitzer Projekt „Offener Prozess“. „Wir brauchen Unterstützung von Land und Bund.“ Sie schlug vor, das Zentrum an letzten Wohnort von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos aufzubauen.

Gemeinsam mit Merkel nehmen an der Zeremonie auch einige geladene Gäste teil sowie Schüler des nahe gelegenen Peter-Breuer-Gymnasiums. Dessen Sprecher Jakob Springfeld hat sich nach eigener Aussage nach der Zerstörung des Gedenkbaums intensiver mit dem Thema befasst. Nun schließt er sich der Forderung nach einem Bildungs- und Dokumentationszentrum an. Er hoffe, sagt der 17-Jährige, dass es nicht dabei bleibe, dass hier Bäume gepflanzt worden seien. Ein Bildungs- und Dokumentationszentrum gebe Schülern die Möglichkeit, aktiv über diese Themen zu diskutieren. „Damit wir nicht nur zeigen, dass wir ein Nazi-Problem haben, sondern dass wir auch für ein buntes Zwickau einstehen - dauerhaft.“

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