Bildersachbuch:Mit Erdbeeren im Sattel

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Illustration aus Annette Roeder: "Olaf Hajeks fantastische Früchte". (Foto: N/A)

In diesem opulent gestalteten Buch mit Illustrationen von Olaf Hajek, erzählt Annette Roeder von 25 Früchten, die auf der ganzen Welt wachsen.

Von Gottfried Knapp

Wie kann man in einem Buch Lust machen auf Dinge, die in ihrer Vielfalt vor allem mit dem Geschmackssinn erlebt werden? Die Autorin Annette Roeder hat Erfahrungen auf diesem Gebiet. In ihrem letzten Buch hat sie Gemüsesorten vorgestellt. Und der Zeichner Olaf Hajek hat in prallbunten Bildern ausgemalt, was ihm zu Spinat, Tomaten, Kraut oder Rüben eingefallen ist. Diesmal geht es den beiden um Früchte, um Obst und Beeren, um Heimisches wie Äpfel, Himbeeren, Kirschen oder Trauben, aber auch um Früchte, die nur in fernen Ländern wachsen, bei uns heute aber fast ganzjährig zu kaufen sind wie Bananen, Mango, Kiwi oder Ananas.

Für den Illustrator Hajek, der in seinen Bildern Naturmotive gerne mit kräftigen Farben ins Barock-Fantastische weiterspinnt, waren Früchte als Gestaltungsaufgabe fast noch herausfordernder als Gemüse. Denn Früchte, so klein sie auch immer sein mögen, präsentieren sich, wenn sie reif sind, so kraftvoll in einer der drei Grundfarben Rot, Gelb oder Blau, dass ein Zeichner, der sie in einem Buch lebendig machen soll, sich beim Verwenden zusätzlicher Farben fast zurückhalten muss. Also ließ Hajek seiner erzählerischen Fantasie freien Lauf. In seinem Feigenbaum machen drei kleine Vögel munter Musik; ihre Brust ist fast so rot wie das Innere der Feige, die aufgeschnitten daneben liegt. Auf einer anderen Buchseite schmiegt sich eine Weintraube mit ihren blauen Beeren wie ein natürlich gewachsenes Lockengebilde harmonisch um den Kopf einer schönen jungen Frau. Und die Erdbeere kann bei Hajek sogar zum Reitrock einer Amazone werden, die auf ihrem ausladenden Hut weitere Erdbeeren durchs Land trägt.

Unsere Pflanzen haben Blüten und Früchte entwickelt, um Samen in die Welt zu streuen

Für die Autorin Annette Roeder stellte sich die Aufgabe, Früchte in ihrer Vielfalt vorzustellen, ganz anders dar. Sie musste sich um die äußeren Merkmale, die auffälligen Farbvarianten und die extremen Größenunterschiede - tausend Heidelbeeren wiegen deutlich weniger eine einzige fette Wassermelone - kaum kümmern. Sie konnte sich auf etwas konzentrieren, was nicht nur für junge Leser spannend ist, sondern auch für den erfahrenen Autor dieser Zeilen neu und überraschend war: die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Obst. Unsere Pflanzen haben Blüten und Früchte entwickelt, um Samen in die Welt zu streuen. Doch die Samen, die für Nachwuchs sorgen sollen, sind bei fast jeder Fruchtsorte an einer anderen Stelle angebracht: Beim Pfirsich sind sie tief im Inneren des harten Steins versteckt, beim Apfel als Kerne locker in den fünf Kammern des inneren Gehäuses verteilt. Bei Erdbeeren sitzen die Samen als winzig kleine Nüsschen außen auf der Haut; bei der Banane aber sind sie im weichen Fruchtfleisch fast gar nicht mehr spürbar. Unterschiede, die wir bislang kaum wahrgenommen haben, die uns künftig beim Genießen aber auffallen werden.

Annette Roeder: Olaf Hajeks fantastische Früchte. Prestel 2022. 39 Seiten, 22 Euro.

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