Endlich. Auf diese Hollywood-Verbindung haben viele sehnlicher gewartet als auf die Heirat von George Clooney und Amal Alamuddin (und allemal sehnlicher als auf neue gemeinsame Filme von Brad Pitt und Angelina Jolie). Selbst Quentin Tarantino hat 20 Jahre gewartet - und sich immer wieder mit der Verwendung einzelner älterer Ennio-Morricone-Stücke getröstet.
Jetzt also hat der italienische Großkomponist endlich für den amerikanischen Großregisseur komponiert. Der Winterwestern "The Hateful Eight" kommt in Deutschland erst Ende Januar ins Kino, den Soundtrack (Decca/Universal) gibt es aber jetzt schon auf CD.
Trailer zum neuen Tarantino-Film:"Keine Warnung, keine Frage - eine Kugel"
Quentin Tarantinos neuer Film "The Hateful Eight" ist Western-Parodie pur. Schon der Trailer trägt seine typische Handschrift: sehr cool, sehr mysteriös.
Bei seinen Filmen war Tarantino nicht nur Regisseur, sondern auch DJ
Dabei ist es fast schade, wenn Tarantino anderen die Musikdirektion überlässt. Das Geniale an "Pulp Fiction" vor 21 Jahren (ja, einundzwanzig) war ja nicht nur die Erzählstruktur (aber die auch), nicht nur die unfassbare Coolness der Figuren (die auch), nicht nur die nie zuvor gehörte Kraft der Dialoge (die auch), nicht nur die Besetzung überraschender Stars wie John Travolta (die auch), sondern auch die Auswahl der Songs für den Soundtrack.
Dick Dales Surfbombe "Misirlou" hatte davor kaum mehr jemand auf dem Zettel; dass es von Chuck Berry auch so einen Schulfestschüttler gab wie "You Never Can Tell", wussten die wenigsten; und das Soundtrack-Album, mindestens ein so großer Hit wie der Film selbst, steht bis heute in Millionen Plattenschränken. Bei "Pulp Fiction" war Tarantino nicht nur Regisseur, sondern auch DJ.
So war es bei allen weiteren Filmen, so hätte er es bei "The Hateful Eight" wieder halten können, aber Tarantino erzählte gerade in einem Interview, er habe "gespürt", dass der Film einen richtigen Soundtrack brauche: "So habe ich noch nie in meinem Leben gedacht, ich habe diese Stimme in meinem Inneren noch nie gehört. Eigentlich wollte ich nie einem Komponisten die Seele meines Films überlassen."
Morricone war der Einzige, für den er jederzeit eine Ausnahme gemacht hätte. Er wollte ihn für "Inglourious Basterds", da hatte Morricone keine Zeit. "Django Unchained" wiederum war dem Komponisten laut eigenem Bekunden zu blutig. Jetzt hat es endlich gepasst.
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Richtig umwerfend sind Morricones Kompositionen nicht
Und ja: Morricone macht Tarantino den Ennio. Von den düsteren Basstönen der Ouvertüre zu den zarten, fast nussknackerbraven Glockenspielmelodien, von den verminderten Quinten der spitz kreischenden Geigen bis zum epischen Streicherbrei, da ist eine Menge von dem drin, was man erwartet, sobald der Name Morricone auftaucht.
Aber vieles ist dann leider doch eher nur: in Ordnung. Richtig umwerfend ist es nicht. Nie so griffig wie die weltbekannte Mundharmonika ("Spiel mir das Lied vom Tod"), nie so rücksichtslos schwelgerisch wie die Panflöte ("Es war einmal in Amerika"), nie so zwölftönend wild wie die experimentellen Soundtracks aus den frühen Siebzigerjahren.
Das Besondere an Morricones Musik war immer, dass sie auch ohne die Filme funktioniert, berührt, fesselt. Hier aber hätte man beim Hören gern große Bilder auf großer Leinwand vor sich, damit das Ganze ein bisschen, nun ja, Größe gewinnt.
Vielleicht liegt es ja daran, dass diese Stücke schon vor 33 Jahren nicht zum Besten gehörten, was Morricone komponiert hat. Denn tatsächlich, so alt sind sie teilweise. Damals schrieb Morricone den Soundtrack zu John Carpenters "Das Ding aus einer anderen Welt", der Regisseur war wenig begeistert, nahm lieber eigene Musik auf - und Morricone ließ die unbenutzten Stücke jahrzehntelang in der Schublade liegen. Da kann Musik schon mal verstauben. Oft wirken diese manierierten Glöckchen und ach so bösen Kinderhörspielcelli ziemlich aus der Zeit gefallen.
Die Musik passt zu Tarantinos Vintage-Western-Bildern
Aber gut, die einen kaufen bei Manufactum gern Dinge, die alt aussehen, die anderen hören im Kino gern Musik, die ordentlich veraltet klingt. Man kann die Patina dieser Musik mögen, weil sie an das Kino der Sechziger und Siebziger erinnert, und weil sie zu Tarantinos Vintage-Western-Bildern passt. Weil sie so tut, als hätte es in der Zwischenzeit nicht die computergestützten Stahlgewitter gegeben, die Hans Zimmer durch die Kinos brechen lässt. Und auch, weil Morricones fast kammermusikalischer Ansatz weit entfernt ist vom Bombast, mit dem John Williams' "Star Wars"-Thema gerade wieder aus allen Ecken dröhnt.
Und sehr wahrscheinlich hat Morricone mit seinen altmodischen Stücken genau das Richtige getan. Denn hätte er ausgerechnet jetzt etwas ganz Modernes, Zeitgemäßes komponiert, dann wäre Tarantino wohl sehr enttäuscht gewesen. Der Großmeister des Zitats liebt ja nichts mehr, als alte Versatzstücke neu zusammenzubasteln.
Seine Schauspieler, seine Szenenbilder, seine Songs, seine Dialoge, er behandelt alles wie ein Hip-Hop-Produzent seine Samples. Wie Elemente in einem Baukasten, aus denen man sich eine Welt basteln kann, die an Altbekanntes erinnert, aber doch ganz neu ist.
Tarantino hat "The Hateful Eight" in Cinemascope gedreht, 70-Millimeter-Film, eine Verbeugung vor dem Größenwahn, der im Kino der Siebziger herrschte. Dazu passt es perfekt, einen echten, abgehangenen Morricone zu kredenzen wie ein Echo einer anderen Epoche. Dass diese Musik noch dazu eigentlich für einen Film vor 33 Jahren gedacht war - herrlich. Mehr Filmgeschichtsanspielungsgaudi geht ja kaum. Glücklicher Tarantino.