Vier Favoriten der Woche:Auf dem Ergobeanie

Lesezeit: 3 min

Marilyn Monroe kommt endlich mal selbst zu Wort. (Foto: imago stock/imago/Hollywood Photo Archive)

Erkundungen der Seele von Marilyn Monroe, die schöne neue Arbeitswelt im Comic und der schwere Abschied von der Band "Fettes Brot": vier Empfehlungen von SZ-Kritikern.

Aus der SZ-Feuilleton-Redaktion

Jetzt spricht sie selbst: Marilyn von innen

Es ist über Marilyn Monroe unendlich viel geschrieben worden, nur sie selbst kommt selten zu Wort. Dabei hat sie bei ihrem Tod 1962 ein Schatzkästchen der Innenansichten hinterlassen: Hefte und Hotel-Briefpapier, sie kritzelte nieder, was ihr durch den Kopf ging, Gedichte, Gedanken, Selbstbeschwörungsformeln. Die amerikanische Regisseurin Liz Garbus hat diese Notizen für ihre Dokumentation "Love, Marilyn" (2012) verwendet - was funktioniert, weil Glenn Close und Viola Davis, Marisa Tomei und Uma Thurman Monroe ihre Stimme leihen. "Love, Marilyn", derzeit bei Prime zu sehen, ist ein Seismograf der Seele. In ihren eigenen Worten scheint Marilyn Monroe über die Wahrnehmung der Kunstfigur zu herrschen, die sie geschaffen hat, und bleibt hinter ihr doch verloren. "Love, Marilyn" ist melancholisch wie ein Sommer, der zu Ende geht. Susan Vahabzadeh

Eine seltsame Therapeutin: Dr. Sharifi interessiert sich vor allem für sich selbst: Cover von "Work-Live-Balance". (Foto: Reprodukt)

Jung, hip, ausgenutzt: "Work-Life-Balance" von Aisha Franz

Sie sind jung, arbeiten in hippen Berufen, ihre Arbeitsbedingen aber sind prekär: Bildhauerin Anita verdient ihr Geld mit Gebrauchskeramik, die sie in Online-Shops vertickt; Sandra ist als "Graduate Database Strategist" so gelangweilt, dass sie sich als Influencerin versucht und einen Kollegen sexuell missbraucht; und dem Programmierer Rex werden von einem "Freund" seine Ideen geklaut. Die schöne neue Arbeitswelt, von der Aisha Franz in ihrem Comic "Work-Life-Balance" (Reprodukt) erzählt, gibt sich knuffig und woke, mit Ergobeanie und Pantoffelzwang im Büro, aber die Verteilungskämpfe sind womöglich noch heftiger als früher. Ausbeutung und Selbstoptimierungsdruck reiben die Millennials auf - weshalb Anita, Sandra und Rex in in der Praxis der seltsamen Dr. Sharifi landen, die sich aber vor allem für sich selbst interessiert. Aisha Franz hat einen tollen Blick für falsche Fassaden, die sie in krakeligen Zeichnungen karikiert. Ein lustiges Buch über fiese Verhältnisse. Martina Knoben

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Schwerer Abschied: Die Band "Fettes Brot"

Ein paar Fragen zu diesem ganzen Vorgang: Sah Schiffmeister schon immer aus, als würde er eine dieser Verkleidungsbrillen mit Schnauzer und falscher Nase tragen? Ist der erhaben ergraute Dokter Renz nun endgültig der George Clooney des deutschen Hip-Hop? Wo gibt es die "sehr teure Sonnenbrille" (er über sie), hinter der König Boris angeblich keine Tränen versteckt? Und was, in Gottes Namen, soll denn dieser Unfug mit der Auflösung? Was?! Fettes Brot sind also Geschichte, also zukünftige Geschichte, eine Abschiedstour gibt es noch und dann aber eben keine Brote mehr. "Papa und Papa und Papa trennen sich" und bestimmt haben sie gute Gründe dafür. Falsch ist es trotzdem. Man hätte diese Band ja noch gebraucht. Aber gut: Wenn es denn sein muss, dann natürlich mit einem derart perfekt unperfekten Song und Video wie "Brot weint nicht". Wir eher schon. Tschüss. Jakob Biazza

Die drei Göttinnen von "White Flag" - Meirhaeghe, Gumbodete, Vittucci. (Foto: Philip Frowein)

Benny Claessens' "White Flag"

Als Benny Claessens anfing, selbst Theaterabende zu entwerfen - keine Angst, er bleibt immer noch Schauspieler, demnächst an der Berliner Volksbühne -, sang er gern ein Hohelied der Liebe. Sang es etwa zusammen mit Risto Kübar an den Münchner Kammerspielen (2013), sang es mit der Präsenz seines Körpers, mit und vor allem ohne Worte. Später verlegte er sich eher darauf, sich über die Mechanismen des deutschen Stadttheaters lustig zu machen, voller Ironie und Selbstbespiegelung. Da war er ganz Diva, setzte parallel dazu aber sein Suchen und Finden von Zärtlichkeit auf dem Theater fort, nahm sich zurück, inszenierte nur, ohne selbst zu agieren. Wie bei "White Flag", einem Bühnenpoem, das nun am Theater Neumarkt in Zürich herauskam, im Rahmen des Theaterspektakels der Stadt und in Koproduktion mit Opera Ballet Vlaanderen.

Er muss hier gar nicht spielen, er hat drei wundersame Menschen, die ihn vertreten, Challenge Gumbodete, geboren in Simbabwe, Teresa Vittucci, derzeit eine der wichtigsten Vertreterinnen einer Schweizer Tanzszene, der Unterschiede zwischen Geschlechtern und Herkünften völlig egal sind, und Benjamin Abel Meirhaeghe, der als durchlässiges Medium wohl am besten beschrieben ist. Zusammen sind die drei erst einmal nur vorhanden in ihrer fantastisch ausstaffierten Wesenhaftigkeit, erzählen auf Englisch von queerem Alltag und Carrara-Marmor als unabdingbar in der Inneneinrichtung, so überkandideltes Zeug, das aber vollkommen natürlich wirkt. Umwölkt werden sie dabei von Schmaz, dem schwulen Männerchor Zürich, 26 Kerle, die im Doo-Wop-Stil Nicos "These Days" singen, aber auch komplett hinreißend Schubertlieder und am Ende mit "Wochenend und Sonnenschein" das Publikum in eine abhandengekommene Idee einer lichten Natur entlassen.

"White Flag" ist Anti-Agitationstheater mit einem allerdings bösen, kruden Kern, um den herum sich die Sehnsucht nach einer umfassenden Zärtlichkeit herausbildet. Als deren Gegenbild agieren die drei als Göttinnen oder antike Heldinnen, die ihre Kinder töten oder sonst wie Blut vergießen, das vom rosa Flokati aufgesogen wird. Daraus entsteht der Traum eines Neubeginns, bei dem sich alle tanzend die Tränen wegwischen. Zauberhaft seltsam. Egbert Tholl

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