Facebook:Versalien als Image-Politur

Lesezeit: 3 min

"Offenheit und Optimismus": Das neue Logo der Konzernmutter Facebook. (Foto: AFP)
  • Um seinen angeknacksten Ruf zu retten, hat sich Facebook ein sogenannes Rebranding in Form eines neuen Logos verpasst.
  • Der Konzern steht zunehmend in der Kritik, zuletzt aufgrund seiner Haltung zu politischen Anzeigen im US-Wahlkampf.

Von Bernd Graff

Nichts ist in der Welt der Internetfirmen und -foren, der sozialen Medien und Netzpräsenzen so beliebt und gängig wie das Rebranding. Damit ist ein neuer Look gemeint, ein prägnanteres Logo oder gleich ein ganz neuer Name. Man macht das, wenn es für das Unternehmen längere Zeit nicht so gut läuft, wenn der Ruf angeknackst oder ganz ruiniert ist - oder aber, wenn eine übel beleumundete Webseite von Hackern massiv attackiert wird. So massiv etwa wie das einschlägig bekannte Imageboard 8chan. Das war eine üble Forenseite, auf der gleich mehrere Akte rechtsextremistischen Terrors offen angekündigt und gefeiert wurden. 8chan wurde Mitte August, nach dem Terroranschlag im texanischen El Paso, durch Webattacken gesprengt und damit unbrauchbar gemacht. Jetzt ist sie unter dem neuen Namen 8kun wieder online.

Ein versuchtes Rebranding kann aber auch durch Politur-Kampagnen in den Medien erfolgen. Durch PR und Werbung also, die einen frischen Glanz über die Tristesse eines völligen Versagens oder eines unerträglichen Heuchelns legen wollen, die das eigene Geschäftsmodell und -gebaren für die Öffentlichkeit erschreckend deutlich gemacht hat.

Leserdiskussion
:Sollte Facebook politische Werbung stoppen?

Twitter wird keine politischen Inhalte mehr als Werbung schalten. Facebook soll nachziehen, denn niemand habe das Recht, sich ein Millionenpublikum für seine Lügen erkaufen zu dürfen, kommentiert SZ-Autor Simon Hurtz.

Wenn man etwa nur noch schlechte Nachrichten produziert und eine entsprechend schlechte Presse hat wie Facebook mit seinen 2,3 Milliarden Nutzern derzeit, dann sind auch die Fantastrillionen an Dollar, die Facebook mit seinem Business verdient - im Jahr 2017 waren es 41 Milliarden Dollar Umsatz -, dann ist das viele Geld nur ein relativer Trost. Auf Dauer ist der schlechte Ruf auch schlecht fürs Geschäft.

Und wer wüsste all das nicht besser als der Facebook-Chef Mark Zuckerberg, dessen Sozialmedium zwar laut Bloomberg am letzten US-Kongresswahlkampf 354 Millionen US-Dollar mit politischer Werbung verdient hat. Der nun aber unter schärfster Kritik steht, selbst von den eigenen Mitarbeitern. Denn die haben Ende Oktober zu Hunderten in einem offenen Brief gegen Zuckerberg protestiert, weil dieser offensiv deklariert hatte, im kommenden US-Präsidentschaftswahlkampf politische Anzeigen auf seinen Seiten selbst dann zuzulassen, wenn die Parteien und Politiker darin eindeutig Fake News und Lügen verbreiten. Mit dieser Lizenz zur "Missinformation" (Mitarbeiterbrief) und Überdehnung des Begriffs Meinungsfreiheit hat Zuckerberg seinen lukrativen Mantel zwar nicht direkt auch über Terroristen, Trolle, Extremisten, Fundamentalisten und Verschwörer gebreitet, aber deren Verleumdungen und Hetze zumindest relativiert. Intransparent bleibt das Unternehmen weiterhin darin, wann und wie es gegen Hass und Propaganda einschreitet.

Ein Text in Großbuchstaben signalisiert im Internet überlicherweise lautes Schreien

Kein Wunder also, dass man in Deutschland und Europa, wo Facebook zwar nicht gerade der kalte Wind, aber ein kühlerer Hauch der Kritik als in der amerikanischen Heimat um die Nase weht, derzeit eine Charmeoffensive des Netzwerks erlebt - und das ganz analog, mit Werbung im linearen Fernsehen und gedruckt.

Man sieht hierzulande - zur teuersten Werbezeit - einäugige Möpse von Hamburger Hundehaltern, die schwimmen lernen, es gibt "Schwangere Echte Mamas", von denen unklar ist, ob sie Mamas sind oder doch nur schwanger, und es gibt vegane Bodybuilder. Alle finden mit Facebook zueinander, sagt Facebook in der Kampagne.

Damit nicht genug. Man hat jetzt auch noch das Tafelsilber jedes auf Öffentlichkeit bedachten Konzerns angefasst: das Logo. Nein, (noch) nicht den in Minuskeln gehaltenen Firmennamen der Webseite und der APP, der auf einer Schriftvariante von "Klavika Bold Bold OSF" basiert. Man hat für die Konzernmutter Facebook Inc. einen in Versalien gehaltenen Firmennamen in einer maßgeschneiderten Schriftart geschaffen, in der weite Buchstabenabstände mit abgerundeten Ecken und kurvige Diagonalen hervorstechen. Lauter Großbuchstaben signalisieren nach gängigen Internetgepflogenheiten zwar Schreien. Das Logo changiert dazu noch in den Farben der Unterfirmen des Konzerns wie ein brunftiges Einhorn in der Frühlingsbalz.

Man wolle damit aber, so die Firma, "Klarheit und Offenheit ausdrücken wie stabile Strukturen", mit einem Wort: "Optimismus". Das neue Logo soll die dem Facebook-Universum assoziierten Unternehmen wie Instagram, Whatsapp und Oculus überstrahlen und helfen, sie von der Konzernmutter und ihrem weiterhin wenig offenen, kaum klaren und überhaupt nicht optimistisch stimmenden Sozialnetz zu unterscheiden. In dieser Hoffnung auf Differenz steckt gewiss viel Optimismus. Deshalb muss man aber doch nicht gleich so schreien.

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

ExklusivStraftaten im Netz
:Facebook will deutschen Behörden schneller Daten von Online-Hetzern geben

Bisher mussten Ermittler oft lange warten, wenn sie wissen wollten, wer für Volksverhetzung, Holocaustleugnung oder Hakenkreuze in dem Netzwerk verantwortlich ist. Nun verspricht Facebook mehr Kooperation.

Von Max Hoppenstedt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: