Einigung über Klee-Gemälde zeichnet sich ab:Mit den Haaren aus dem Sumpf

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Das Bild "Sumpflegende" von Paul Klee. (Foto: Bloomberg / Lenbachhaus)

Um das Gemälde "Sumpflegende" von Paul Klee streiten sich die Stadt München und die Erben der von den Nazis bestohlenen Vorbesitzerin schon seit mehr als 20 Jahren. Doch nun zeichnet sich eine Einigung ab - es wird schon gefeilscht.

Von Ira Mazzoni und Kia Vahland

Der Streit um Paul Klees "Sumpflegende" währt seit mehr als 20 Jahren, nun zeichnet sich eine Lösung ab. Am Mittwoch kam es am Landgericht München I zu einer Güteverhandlung zwischen der Stadt München und der Erbengemeinschaft der von den Nazis bestohlenen Vorbesitzerin aus den dreißiger Jahren.

Das 1919 gemalte Werk gehört zum Bestand des Lenbachhauses nahe dem Königsplatz, das im Mai wiedereröffnet - erst einmal ohne das strittige Gemälde an der Wand. Die Parteien konnten sich zwar noch nicht einigen, doch bemüht sich die Stadt nun, die Erben zu entschädigen. Diese würden im Gegenzug das Gemälde dem Museum überlassen.

Die "Sumpflegende" befand sich ursprünglich als private Leihgabe der Kunstwissenschaftlerin und -händlerin Sophie Lissitzky-Küppers im Provinzialmuseum Hannover. Die Eigentümerin war 1926 ihrem zweiten Gatten, dem Künstler El Lissitzky, in die Sowjetunion gefolgt und wurde sowjetische Staatsbürgerin.

Als die Nazis an die Macht kamen, nahmen sie Anstoß an der abstrakten Bildsprache der Moderne. Auch Paul Klees Malerei galt ihnen als "kulturzersetzend". 1937 entwendeten sie das Gemälde aus dem Museum und hängten es in die Schmähausstellung "Entartete Kunst" in die Münchner Hofgartenarkaden. Die NS-Behörden verhökerten das Bild 1940, obwohl dieser Verkauf sogar ihrer eigenen Rechtsprechung widersprach: Als Sowjetbürgerin hätte Küppers-Lissitzky nicht enteignet werden dürfen.

Seit Anfang der neunziger Jahre erheben die Erben der Kunstkennerin Anspruch auf das Gemälde, das die Stadt München 1982 - wohl im Bewusstsein der Vorgeschichte - auf dem freien Markt für 600.000 Schweizer Franken erworben hat.

Enteignung nicht nichtig, wohl aber unrechtmäßig

Nach der international akzeptierten Washingtoner Erklärung von 1998 sollte Raubkunst aus öffentlichen Sammlungen zurückgegeben werden. Die Richterin führte am Mittwoch aber aus, dass vorrangig das Bürgerliche Gesetzbuch Anwendung finde. Denn die Enteignung zur NS-Zeit sei ein hoheitlicher Akt gewesen. Dieser werde nicht dadurch nichtig, dass er unrechtmäßig war.

Zudem müsste geklärt werden, ob die Klägergemeinschaft der Nachkommen von Küppers-Lissitzky laut Erbschein komplett legitimiert sei. Auch in der Frage, ob die Stadt München das Bild 1982 gutgläubig erworben hat oder nicht, erkannte die Richterin noch weiteren Aufklärungsbedarf. Insgesamt sah sie für die Stadt München eine Zweidrittelchance, eine Klage juristisch abzuwehren.

Davon unabhängig drängte die Richterin die Anwälte von Stadt und Museum, ihrer moralischen Verpflichtung nachzukommen. Die Stadt hat bereits ein Angebot von 500.000 Euro vorgelegt, orientiert am Kaufpreis von 600.000 Schweizer Franken im Jahr 1982.

Die Anwälte der Erben haben das Bild dagegen von den Auktionshäusern Sotheby's und Christie's auf drei bis dreieinhalb Millionen Euro schätzen lassen. Das Angebot von einer halben Million Euro wiesen sie nun zurück. Der Kuhhandel begann, und im Raum stand bald ein Streitwert von einer bis anderthalb Millionen Euro (orientiert an den schlechteren Chancen der Erben, käme es zu einer Klage).

Im Gespräch ist nun, ob sich der Kulturstaatsminister sowie die Kulturstiftung der Länder an den Kosten beteiligen könnten. Der Bund ist insofern betroffen, als er Rechtsnachfolger des NS-Regimes ist, welches das Gemälde als "entartete Kunst" konfiszierte und zum Staatseigentum erklärte. Allerdings hat der Münchner Oberbürgermeister den Kulturstaatsminister in Berlin erst fünf Tage zuvor um Hilfe gebeten, so dass noch keine Antwort vorliegt.

Die Parteien haben nun bis zum 17. Mai Zeit, sich zu einigen. Die Anwälte der Erben ließen bereits durchblicken, dass sie, käme es zu keiner Verständigung, das Gemälde beschlagnahmen lassen würden, sobald es ins Ausland ausgeliehen wird.

Wie in vielen solcher Fälle ist der mutmaßliche Preis der "Sumpflegende" in den vergangenen über 90 Jahren stark gestiegen - und steigt immer weiter, je länger der Streit dauert.

Die Lösung, die sich jetzt jedoch abzeichnet, scheint vernünftig. Wenn das Museum mit Hilfe von Stadt und Staat das Werk ein zweites Mal, nun rechtmäßig, erwirbt, bleibt es im Lenbachhaus ausgestellt - und kann so auch an das wechselhafte Schicksal der Avantgarde erinnern, die einst als "Entartete Kunst" in der Münchner Schau von 1937 verfemt wurde.

© SZ vom 25.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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