Dresdner Kunstdiebstahl:"Das wäre ein unwiederbringlicher Verlust"

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In welchem Land die Diamanten von Dresden bald landen könnten und ob es möglich wäre, sie unkenntlich zu machen, erklärt die Edelstein-Expertin Beate Kalisch.

Von Jörg Häntzschel

Die Juwelen aus Dresden waren so etwas wie die Mona Lisa des Schmucks. Ihre Einzigartigkeit macht sie unendlich wertvoll - und unverkäuflich. Wir sprachen mit Beate Kalisch. Sie ist Gemmologin, eine Sachverständige für Edelsteine, Schmuck und Juwelen. Sie arbeitet als Beraterin des Münchner Auktionshauses Neumeister.

SZ: Frau Kalisch, was kann ein Dieb mit diesen Diamanten anfangen?

Beate Kalisch: Eine Möglichkeit ist, dass er oder sein Auftraggeber sich diesen Schatz jeden Tag ansehen möchte, jemand der dieses Glücksgefühl sucht. Das ist einfach krank. Oder es war jemand von weit weg, sagen wir aus Russland, den USA oder China, der sich sagt: Ich habe Zeit, ich lege den Schmuck jetzt mal 30 Jahre in meinen Safe und lasse Gras über die Sache wachsen. Und wenn meine Tochter mal älter wird, dann hat sie eine schöne Geldanlage.

Ließen sich die Steine auch einzeln zu Geld machen, ohne ihre Fassungen?

Ja, die Steine lassen sich aus den Fassungen brechen. Man könnte sie neu fassen, um ihre Herkunft zumindest zu verschleiern. Die Steine blieben in ihrer Originalgröße erhalten.

Könnte man sie auch umschleifen?

Das ist wohl die wahrscheinlichste Variante. Die Steine werden natürlich kleiner, man verliert zehn bis 30 Prozent, aber dafür würde der Schliff perfekter. Sie würden dann richtig, richtig viel Geld bringen.

Dann wäre außer den Fassungen auch der historische Schliff zerstört.

Richtig. Das wäre ein unwiederbringlicher Verlust. Die ganz alten Schliffe haben eine besondere Mystik, die sind so weich, so schmeichelhaft; wenn Sie große Steine haben, sind die zum Niederknien. Es gibt sogar Leute, die heute versuchen, diesen alten Schliff zu reproduzieren.

Können Sie den Materialwert beziffern?

Das ist sehr schwer, aber er liegt auf jeden Fall im zweistelligen Millionenbereich.

Ließen sich die Diamanten nach dem Umschleifen nicht mehr identifizieren?

Nein. Das sind extrem reine Diamanten, ohne Einschlüsse, an denen man ihre Herkunft erkennen könnte. Nur König, Kaiser und Kirche durften solche vollkommenen Diamanten besitzen. Sie verstanden sich ja als von Gott auserkoren. Die Reinheit der höfischen Diamanten war ein Symbol für diese Auserwähltheit. In Indien denkt man teilweise heute noch so.

Wäre es denn nicht sehr schwer, jemanden zu finden, der diese einmaligen Diamanten zerstören würde?

Doch, aber für Geld tun Menschen alles. Das muss ja auch nicht hier in Deutschland oder Europa gemacht werden. In China und in Indien gibt es hervorragende Schleifer. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Steine dort hingehen. Allerdings ist das eine unglaublich aufwendige Arbeit.

Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Diamanten ?

Sie steigt und steigt, vor allem, weil sie als Geldanlage so attraktiv sind. Diamanten sind anonym, nehmen kaum Platz weg und sind leicht transportierbar. In Zeiten schärferer Geldwäschegesetze, Niedrigzinsen und drohender Wirtschaftskrisen sind sie ideal für Leute, die ihr Geld verschwinden lassen wollen. Gleichzeitig wird das Angebot immer knapper. Diamanten sind 900 Millionen Jahre alt. In den letzten Jahrzehnten hat man gefördert wie bekloppt, irgendwann sind die Minen ausgebeutet.

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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