Zum Tod von Lonnie Smith:Der Vulkan

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Dr. Lonnie Smith (rechts) mit Iggy Pop im Studio in Miami. (Foto: Don Was/Blue Note)

Dr. Lonnie Smith war einer der ersten, die verstanden, dass man die Hammond zum Fauchen, Keuchen, Brüllen bringen muss.

Von Andrian Kreye

Der stets Turban-gekrönte Jazzorganist Dr. Lonnie Smith ist gestorben, der weder ein Doktor war, noch ein Schiite, Sikh oder Sufi. Mitte der Siebzigerjahre legte er sich den Titel und den Kopfschmuck zu. Nicht zuletzt, weil da Lonnie Liston Smith zu Ruhm und Ehren kam, der auch Orgel und Klavier spielte. Mitte der Siebzigerjahre nahm Smith, wie so viele andere Jazzmusiker auch, Funk-Platten auf, in der Hoffnung im Kielwasser von James Brown in der neuen Welt von Pop und Rock aus den Niedriglohn-Nischen der Jazzclubs und Kleinlabels auszubrechen. Er hatte damals schon eine steile Karrierekurve hinter sich. Aufgewachsen in der Provinz von Upstate New York sang er zunächst in R&B-Gruppen, bevor ihm der Besitzer eines Musikladens eine Hammond B-3-Orgel schenkte.

Die Hammond ist ein schwieriges Instrument. Ein Ingenieur hatte sie in den Dreißigerjahren erfunden, um sie als kostengünstige Alternative zu Kirchenorgeln für die Gemeinden der unzähligen Kleinkirchen im Land zu vermarkten. Das Instrument verträgt allerdings keine protestantische Zurückhaltung. Dann klingt es schnell so spießig verdruckst wie die Heimorgeln, die in den Siebzigerjahren so beliebt wurden. Smith war einer der ersten, die verstanden, dass man die Hammond zum Fauchen, Keuchen, Brüllen bringen und in den leisen Registern ein Lodern erzeugen muss. Das kann dann aufs Publikum die mitreißende Wirkung eines Gospelchores haben.

Im Hip-Hop sind seine Alben ein unerschöpflicher Quell für Samples

Als er Mitte der Sechzigerjahre nach New York kam, fand er Anschluss bei den Musikern, die bald schon die Stars des Soul Jazz wurden. In den Gruppen des Gitarristen George Benson und des Saxofonisten Lou Donaldson wurde er bekannt. 1967 veröffentlichte er seine erste Schallplatte unter eigenem Namen. Beim Jazzlabel Blue Note wurde er zum Zugpferd, bevor er die Plattenfirmen oft im Jahresrhythmus wechselte. Er versuchte sich an Disco und Pop. Anfang der Achtzigerjahre zog er sich frustriert aus dem Musikgeschäft zurück. Lange Zeit spielte er unbemerkt in Florida in einer Hotel-Lobby zum Cocktail.

Im Hip-Hop blieben seine Alben aber ein unerschöpflicher Quell für Samples. Anfang der Nullerjahre begann er wieder zu touren und Platten aufzunehmen. Der neue Blue-Note-Chef Don Was holte ihn schließlich 2016 zurück. Smith schien besser denn je. Welche Wirkung sein vulkanisches Spiel hat, kann man auf seiner letzten Platte "Breathe" hören. Nicht nur auf den Live-Stücken. Iggy Pop lebte nicht weit von Smith in Florida und besuchte einen seiner Gigs in der Arts Garage in Delray Beach. Pop war begeistert, wollte einsteigen. Smith ließ ihn ein bisschen elektrische Percussion spielen. Dann trafen sie sich im Studio wieder und nahmen zwei Hippie-Gassenhauer auf: "Sunshine Superman" und "Can't We Live Together". Da hört man ganz am Ende, wenn Smith und Pop das Lodern bis zum Siedepunkt gebracht haben, wie der Rockstar ein sehr spontanes, ergriffenes "Yeaaaah, nice" haucht.

Dr. Lonnie Smith starb zu Hause in Fort Lauderdale an den Folgen einer Lungenkrankheit. Er wurde 79 Jahre alt.

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