Die ARD und die Privaten:Mission: Schamschwelle

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Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust wünscht sich mehr Intoleranz gegenüber dem Privatfernsehen, sieht "Optimierungsbedarf" - und hofft auf Stefan Raab.

Ralf Wiegand

In den dunkelsten Momenten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, also etwa immer wieder sonntags, wenn der trompetende ARD-Moderator Stefan Mross fortwährend Kindergeburtstag mit lauter Erwachsenen feiert, oder am sogenannten Vorabend, wenn sich das Erste mit seinen Soaps in die senderübergreifende Schaumschlacht wirft, in diesen Momenten fragt sich der Zuschauer: Was macht die ARD eigentlich besser als die Privaten?

Kann er was gegen den "Optimierungsbedarf" der ARD tun? Stefan Raab, Aushängeschild des Privatsenders Pro Sieben. (Foto: Foto: AP)

Oho, sagt ARD-Programmdirektor Volker Herres da, solche Gedanken könne er ja mal gar nicht nachvollziehen. Ihn wundere viel mehr, mit welcher Gelassenheit die Öffentlichkeit auf die Formate der Konkurrenz reagiere: "Ich bin im Prinzip tolerant. Aber teilweise vorbestrafte Kandidaten mit den ausgeliehenen Kindern anderer Leute spielen zu lassen oder von werdenden Schauspielerinnen sexuelle Handlungen zu verlangen - da wünscht man sich mehr Intoleranz. Die Schamschwelle ist abgesackt."

Am Ende ihrer zweitägigen Sitzung in Bremen waren sich die ARD-Intendanten demnach immerhin sicher, wie sie nicht sein wollen - so wie RTL mit Erwachsen auf Probe oder Mission Hollywood. Die ARD möchte relevant sein, hat deshalb "bewusst auf sperrige Themen mit gesellschaftlicher Bedeutung gesetzt", sagte der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust vom SWR, und ist trotzdem wieder die Nummer eins am Fernsehmarkt mit 12,8 Prozent Anteil.

Eine Perle im ARD-Portfolio ist der Eurovision Song Contest. Zuletzt sahen ihn 7,33 Millionen Zuschauer, der Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen lag bei 34,8 Prozent. Da ist es verständlich, dass die ARD in Zukunft einerseits mal wieder wettbewerbsfähige deutsche Teilnehmer im Namen der Quote trällern lassen würde und andererseits Synergien schaffen will.

So haben die Intendanten einen "Optimierungsbedarf" (Boudgoust) festgestellt, was die Verbindung zwischen TV und Radio beim Song Contest angeht. An diesem Punkt, desweiteren bei der Frage der "Markenführung" und "wegen einer Indiskretion" sei der Deal gescheitert, Stefan Raab für den Schlager-Cup ins Erste zu holen. Jedoch glaubt der ARD-Chef: "Wir haben uns nicht mit geballter Faust getrennt. Vielleicht klappt es ein anderes Mal."

Wenn Raab dann Zeit hat - im Augenblick bereitet er für Pro Sieben die Sondersendung TV total Bundestag vor, die am 26. September laufen wird. Dabei sollen am Tag vor der echten Abstimmung die Zuschauer per Telefon ihre Wahl durchgeben, Kandidaten aller Parteien können sich in der Sendung vorstellen. Solche Programme kosten Geld. Boudgoust übrigens rechnet in der ARD wegen des demografischen Wandels mit einem Gebührenausfall in Höhe von 15 Prozent.

© SZ vom 17.06.2009/kar - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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