Kunst im Netz:In der Zwickmühle

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Für Textsucher und Kunstfreunde: die Website der Deutsche Digitalen Bibliothek. (Foto: Deutsche Digitale Bibliothek)

Die Deutsche Digitale Bibliothek macht Millionen von Kunstwerken und Büchern im Netz zugänglich. Das könnte jetzt durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs erschwert werden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Wer mal wieder ein Beispiel für das gute Internet sucht, das Wissen zugänglich macht und Kultur mit Wissenschaft vernetzt, der wird bei der Deutschen Digitalen Bibliothek fündig. Die DDB verspricht nicht weniger als den freien Zugang zum kulturellen und wissenschaftlichen Erbe Deutschlands, zu Archivalien, Bildern, Tondokumenten. Mehr als 36 Millionen Objekte macht sie zugänglich, davon ein Drittel mit Digitalisat. Doch nun könnte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) den Zugang zu digital präsentierter Kunst komplizierter machen.

Auslöser ist ein Rechtsstreit zwischen der DDB und der Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst, welche die Urheberrechte bildender Künstler wahrnimmt. Wobei "Streit" das falsche Wort ist: Beide Seiten haben vereinbart, den Fall juristisch durchzufechten, um Klarheit darüber zu gewinnen, wie die DDB mit urheberrechtlich geschützten Bildern verfahren darf, die sie auf ihren Seiten verlinkt und mit Vorschaubildern zeigt. Eigentlich hatte sie mit der VG Bild-Kunst schon einen Lizenzvertrag geschlossen. Aber dann entschied der EuGH im Jahr 2014, dass alles, was Urheber allgemein zugänglich ins Netz stellen, auf anderen Webseiten "geframt", also in das dortige Umfeld eingebettet werden darf - auch ohne Erlaubnis des Urhebers. Da hallte der spontihafte Ruf nach dem freien Netz wider. Aber das Urteil bereitete der DDB Schwierigkeiten. Weil im freien Netz des EuGH gar keine Lizenzen mehr nötig waren, musste man über das Verhältnis zu den Urhebern neu nachdenken.

Die gute Nachricht ist: Die Künstler können sich mit technischen Barrieren schützen

Das neue EuGH-Urteil hat nun, vordergründig betrachtet, den Schutz der Künstler gestärkt. Wer seine Fotos oder Bilder im Netz mit einer technischen Sicherung versieht, der hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er sein Urheberrecht gerade nicht preisgibt, sondern die Kontrolle über die Wiedergabe seiner Werke behalten will. Werden solche Bilder unter Umgehung der technischen Hürden gleichwohl per Framing auf fremden Internetseiten wiedergegeben, dann ist das eine Verletzung des Urheberrechts. Die gute Nachricht ist also: Die Künstler können sich mit technischen Barrieren schützen.

Die schlechte Nachricht: Sie sind eben auch gezwungen, diese technischen Barrieren zu errichten, andernfalls haben sie keine Hoheit darüber, wer ihre Bilder auf welchen Seiten in einem Frame herzeigt. Aus Sicht der VG Bild-Kunst will das aber nicht jeder und jede; wer sich als Künstlerin vermarkten will, kann auf einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu den eigenen Werken angewiesen sein. Das wäre zwar leicht lösbar, wenn man Framing von einer Lizenz abhängig machen könnte; den Schutz gegen Missbrauch erledigt heutzutage eine Bilderkennungssoftware. Aber diesen Weg hat der EuGH versperrt: "Um die Rechtssicherheit und das ordnungsgemäße Funktionieren des Internets zu gewährleisten, ist es dem Urheberrechtsinhaber nicht gestattet, seine Erlaubnis auf andere Weise als durch wirksame technische Maßnahmen ... zu beschränken."

Kulturinstitutionen wie die DDB geraten durch das Urteil in eine Zwickmühle. Einerseits stehen sie unter dem Erwartungsdruck, Kultur für alle sichtbar zu machen. Andererseits könnten sie gezwungen sein, mit ebenjenen technischen Barrieren zu arbeiten, um den Schutz der Urheber zu gewährleisten. Wie die Sache ausgeht, wird man sehen. Vom EuGH wandert der Fall zurück zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe, der das allerletzte Wort hat.

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