"Das Schicksal ist ein mieser Verräter" im Kino:Saubermachen in der Seele

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Ansel Elgort (links) und Shailene Woodley in "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" (Foto: dpa)

Zwei an Krebs erkrankte Teenager, die sich einen letzten Wunsch erfüllen wollen - das klingt nach pappsüßem Schmerz. Doch Josh Boones Verfilmung von "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" schafft die Gratwanderung am Abgrund des Kitsches.

Von Susan Vahabzadeh

Menschen zuverlässig zum Weinen zu bringen ist eine Kunstform, im Kino sogar eine relativ renommierte. "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" macht seinem Genre alle Ehre: Dieser Film ist rührselig und sentimental, aber er bekommt die Gratwanderung am Abgrund des Kitsches ganz gut hin. Und er schafft es, alle Knöpfe im richtigen Moment zu drücken. Das ist Manipulation - in Perfektion.

Der Roman, den Josh Boone verfilmt hat, war ein Bestseller. Der Erfolg, den "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" bei seinem Start in den USA am Freitag hatte - der geht sogar ein bisschen darüber hinaus. Der Film hat Tom Cruise und "Edge of Tomorrow" abgehängt, hat mit fast 50 Millionen Dollar am ersten Wochenende so viel eingespielt wie sonst Actionfilme. Und das mit einer effektfreien Geschichte über ein junges Mädchen, das bald sterben wird: Das ist ein Erfolg in der "Love Story"-Liga. "Love Story" löste in den Siebzigern Tränenfluten aus und ist auch ziemlich manipulativ. Doch neben "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" sähe die Story plump und hölzern aus.

Auch Emotionen nutzen sich ab

Es geht damit los, dass die 17-jährige Hazel Grace (Shailene Woodley) sich vorstellt: mit Krebs aufgewachsen, Wasser in der Lunge, immer mit der Sauerstoffflasche unterwegs, schwer zu erschüttern - weil auch Emotionen sich mit der Zeit abnutzen. Sie betrachtet das Leben mit einigem Sarkasmus. Man muss dieses Mädchen also fast zwangsläufig mögen. Und dann lernt es, in einer Selbsthilfegruppe, die ihm eigentlich zu blöd ist, einen Jungen kennen - auch Krebs, ein Bein ist ab, und alles, was er der Welt entgegenzuhalten hat, ist ein sonniges Gemüt.

Es ist ziemlich schnell klar, dass keiner von den beiden älter wird als, sagen wir, zwanzig. Würden sie ohne Rückschläge heldenhaft und tapfer bleiben - sie wären unerträglich. Aber sie bleiben's nicht. Ach, das ganze Ding würde in pappsüßen Schmerz abkippen, wäre da nicht die richtige Dosis Comic Relief im Spiel. Für die meisten Erholungslacher ist Augustus Waters (Ansel Elgort) zuständig, der einbeinige Mädchenschwarm mit der kurzen Lebenserwartung.

Josh Boone hat seinen beiden Schauspielern einiges zu verdanken, sie machen ihre Sache wirklich großartig: Shailene Woodley, die in "The Descendants" die älteste Tochter spielte, ist in fast jeder Szene dieses Films - und sie muss dabei das gesamte Spektrum aller Emotionen abliefern, genervt und amüsiert, gerührt und wütend, in Tränen aufgelöst - in Großaufnahme. Ansel Elgort muss den Sunnyboy geben und immer ein bisschen Raum dafür lassen, dass diese Figur Zusammenbrüche erleidet, die man im Film nicht sieht; und Willem Dafoe hat schon immer einen ganz hervorragenden Teufel gegeben.

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Der Teufel ist in diesem Fall sehr rational und hat ein Buch geschrieben, "An Imperial Affliction", einen Roman über ein Mädchen, das an Krebs stirbt. Hazel Grace kann ihn fast auswendig, er endet, wie das Leben, mitten im Satz. Sie hat immer wieder versucht, mit dem Autor Peter van Houten (Dafoe) Kontakt aufzunehmen, doch erst Augustus, der das Buch gelesen hat, als Hazel es ihm gegeben hat, ist erfolgreich. So kommt es, dass die beiden nach Amsterdam fliegen, den Wunsch erfüllt ihnen eine Kinderhilfsorganisation, unter der Voraussetzung, dass es auch wirklich ihr letzter ist. Der große Autor hat dann aber ein Alkoholproblem, den Charme eines Magenkrampfs und so viel Mitgefühl wie ein Gartengerät.

Wie Willem Dafoe sich nun hineinwirft in seinen versoffenen, aber nicht ganz unklugen Monolog, das ist richtig witzig. Er hält den Kids das Tränenmelken vor, ihren Narzissmus, sich besonders zu finden, nur weil sie sterben - wo doch jeder stirbt. Jeder, findet er, kriegt ein Stückchen Unendlichkeit ab. Manche Stückchen sind halt größer als andere. Dabei will Hazel eigentlich nur von ihm wissen, was nach dem Tod der Hauptfigur aus ihrem verdammten Hamster wird.

Angst um die Eltern

Das gehört dann zu den Stärken dieses Films, dass er weder auf der Geschichte mit dem Hamster herumreitet noch, analog dazu, auf Hazels Albtraum: Sie fürchtet sich gar nicht so sehr vor unerträglichen Schmerzen oder ewiger Nacht. Die größte Angst macht ihr, dass ihre Eltern sich zurechtfinden müssen in der Leere, die sie bald zurücklassen wird.

Natürlich kann man es auch ganz anders machen - in dieser Woche läuft ja noch ein Film übers Sterben an, "Oktober November" von Götz Spielmann, und da kann man ganz gut sehen, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Kino. Spielmanns Film ist viel fordernder, und überhaupt nicht manipulativ. "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" aber begreift sich selbst als große Emotionsmaschine.

Warum das so erfolgreich ist? Weil man in einem solchen Film Emotionen rauslässt, die sonst als uncool gelten. So wie Menschen Achterbahn fahren oder Horrorfilme sehen und dort die Ängste ausleben, die sie sich sonst verkneifen müssen. Ob man nun in Tränen ausbricht oder sich fürchtet - es geht ums Saubermachen in der Seele.

The Fault in Our Stars, USA 2014 - Regie: Josh Boone. Drehbuch: Scott Neustadter, Michael H. Weber. Kamera: Ben Richardson. Mit: Shailene Woodley, Ansel Elgort, Willem Dafoe . Fox, 125 Minuten.

© SZ vom 11.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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