Kulturwelt und Coronavirus:Dann eben digital

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Kiepenheuer&Witsch ruft die "Leipziger Büromesse" aus und Igor Levit gibt ein Twitter-Konzert: In Zeiten des Coronavirus wandert die Kultur ins Internet. Hier erfahren Sie, was sich zu streamen lohnt.

Von Bernd Graff

Das Ausmaß der Krise, die das Coronavirus ausgelöst hat, erkennt man daran, dass es keinen Bereich menschlicher Kommunikation und Zusammenkunft mehr gibt, der nicht auf Streaming umgestellt hat oder gerade dabei ist, dies zu tun. Wie etwa die Musiker des "Shanghai Symphony Orchestra", die bereits seit Ende Januar Unterrichtsvideos und Proben im Netz posten. Gianna Nannini streamt ihr "virtuelles Konzert gegen Corona-Einsamkeit" gleich aus dem Wohnzimmer. Das macht auch Pianist Igor Levit, der am Donnerstagabend ab 19 Uhr von zu Hause auf Twitter livestreamen will.

Der Papst hält seinen Morgengottesdienst mit nur wenigen vatikanischen Mitarbeitern und überträgt die Messe ins Netz. Das kulturelle Leben Italiens steht überhaupt jetzt unter dem Hashtag "#iorestoacasa" - "Ich bleibe zu Hause". Nach der Maxime: "Wenn das Publikum nicht kommen kann, muss die Aufführung zum Publikum kommen", musizieren derzeit die Mitglieder des Mailänder Sinfonieorchesters Giuseppe Verdi in einem leeren Saal, ihr Auditorium erreichen sie via Youtube-Stream. Mitschnitte ihrer Auftritte sind gesammelt unter dem Hashtag "#Lamusicanonsiferma" - "Die Musik endet nicht". Diese kann man - wie alle anderen! - natürlich auch aus Deutschland abrufen.

Die für den 12. März geplante Eröffnung der Ausstellung "The Beginning. Kunst in Österreich 1945 bis 1980" in der Wiener "Albertina modern" findet außer im kleinen Kreis nur per Facebook-Stream im Netz statt. Der Verlag Kiepenheuer&Witsch verlegt sein Programm mit Lesungen und Autorengesprächen, das dem Ausfall der Leipziger Buchmesse zum Opfer fiel, komplett ins Digitale und nennt es "Leipziger Büromesse 2020". Die Staatsoper "Unter den Linden" in Berlin weicht nach der Schließung aller großen Aufführungsstätten ebenfalls ins Internet aus und startet eine Zusammenarbeit mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Den Auftakt macht die Oper "Carmen", die vor leeren Rängen aufgeführt wird, aber über die Internet-Plattformen der Staatsoper und des Senders kostenlos gestreamt werden kann. Für die Premiere der Oper "Idomeneo" am 22. März unter Simon Rattle wird eine ähnliche Lösung angestrebt.

Das ist eine Empfehlung an alle öffentlich rechtlichen Sendeanstalten: Sie können ihrem Informationsauftrag gerade jetzt mit Streams von Kulturveranstaltungen gerecht werden, die sonst ausfallen würden. Berlin meldet übrigens auch noch, dass die Bibliotheken des "Verbunds der Öffentlichen Bibliotheken Berlins" (VÖBB) ihre Ausleihfristen verlängert haben und entliehene Medien nicht zur dritten Verlängerung in einer Bibliothek vorgelegt werden müssen. Ebenso kündigt man jetzt schon für einige Veranstaltungen der abgesagten, für den neunten bis elften Juni geplanten Computerspielmesse "E3 Expo" in Los Angeles zahlreiche Netz-Übertragungen als Ersatz an. Daran wird man sich schnell gewöhnen.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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