Comedy-Serie "Barry" auf Sky:Wenn ein Killer sich nach Selbstverwirklichung sehnt

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Barry ist als Auftragskiller erfolgreich - aber nicht glücklich. Seine Leidenschaft ist eine andere. (Foto: HBO)

Ein desillusionierter Auftragsmörder entdeckt seine Leidenschaft für die Schauspielerei. Die Comedy-Serie "Barry" ist eine schonungslose Persiflage auf das amerikanische Theater- und Filmmilieu.

Von Franca Wittenbrink

Sieht so ein Profikiller aus? Der Ex-Marine Barry sitzt im Baumwollpyjama auf der Couch, spielt auf der Playstation ein Autoscooter-Spiel, im Hintergrund laufen melancholische Klaviertöne. Diese Comedy-Serie - so viel ist bereits in der ersten Sequenz klar - hat mit den Klischees des Gangster-Genres nur sehr wenig zu tun. Auch wenn ihre Hauptfigur ein Gangster ist.

Seit seiner Rückkehr aus Afghanistan verdient sich Barry seinen Lebensunterhalt mit Auftragsmorden. Der Job, der für ihn längst zur deprimierenden Routine geworden ist, führt ihn aus dem trostlosen Mittleren Westen nach Los Angeles. Im Auftrag einer tschetschenischen Mafia-Bande soll er dort einen jungen Schauspielstudenten töten. Auf der Verfolgungsjagd platzt Barry in eine Theaterprobe und wird gezwungen, für einen fehlenden Darsteller einzuspringen. Plötzlich steht er also selbst auf der Bühne, liest stotternd und mit miserabler Betonung den Text vom Papier ab - und merkt: Das ist es. Seine große Leidenschaft. Barry möchte Schauspieler werden.

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Sein Boss Fuches ist von der Idee nur wenig begeistert. Und auch sonst lässt sich Barrys neuer Traumjob nur schwer mit seiner kriminellen Vergangenheit verbinden, denn abgesehen von den Tschetschenen ist mittlerweile auch die Polizei auf ihn aufmerksam geworden. Viel schwerer wiegt aber vielleicht die Tatsache, dass ihm auf der Bühne jegliches Talent fehlt, so sehr er sich auch bemüht.

Irgendwann vertraut Barry sich verzweifelt dem Schauspiellehrer Gene Cousineau (Henry Winkler) an, erzählt ihm mit zitternder Stimme von seinen Depressionen, der Zeit im Krieg und der quälenden Arbeit als Auftragsmörder. "Interessante Szene", sagt Cousineau, "die Geschichte ist natürlich Quatsch. Aber die Improvisation war großartig!" Nach dieser Szene ist klar, dass "Barry" im Kern vor allem eines ist: eine durchaus klischeebeladene, dafür aber umso schonungslosere Persiflage auf das amerikanische Theater- und Filmmilieu.

Mafiageschäfte zwischen Glitzer-Barbies und Kinderwagen

Da ist etwa der gottgleich verehrte Schauspiellehrer, der in seinen Wutausbrüchen "Wahrhaftigkeit im Spiel" fordert - seinen Schülern im Prinzip aber vor allem eines beibringen will: die Stunden werden im Voraus bezahlt. Da ist der schmierige Agent, der die Erfolgsaussichten seiner Klientinnen zuvorderst nach der Größe des Ausschnitts beurteilt. Und vor allem sind da die immer wiederkehrenden Floskeln der jungen Schauspielstudenten: "Leb deinen Traum", "Fühl deine Emotionen", und "Zusammen sind wir stark". Was dahinter steht: Verlogenheit, Egozentrik, Konkurrenzkampf - und sehr viel Verzweiflung. Als Cousineau seine Klasse über den plötzlichen Tod eines Mitschülers informiert, rät eine Studentin mit strahlendem Lächeln, die Sache positiv zu sehen: "Packt dieses Gefühl in eure Werkzeugkiste", sagt sie begeistert, "Nutzt es für euren Erfolg!" Viel schöner kann man den Versuch, traumatische Erfahrungen mit der "Method Acting"-Methode für die Darstellung von Emotionen auf der Bühne zu nutzen, wohl kaum auf die Spitze treiben.

Weniger feinsinnig, dafür aber sehr komisch wird auch die Gangster-Szene karikiert. Die gefeierte tschetschenische Killerlegende entpuppt sich als melancholischer Greis. Weil die Mafiosi nebenbei auch noch Väter sind, machen sie ihre Geschäfte zwischen Glitzer-Barbies und Kinderwagen. Und Folterprozeduren werden unterbrochen, weil sich die Tochter des Hauses bei ihrer Übernachtungs-Party von den Schmerzensschreien gestört fühlt. Dass von den tätowierten, schwer bewaffneten Profikillern kaum einer eine Pistole laden kann, versteht sich von selbst.

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Der Einzige, der das Treiben mit seiner naiven Nüchternheit durchbricht, ist der tief zerrissene Barry. Denn so absurd die Story, so allgemeingültig ist das dahinterstehende Dilemma: Was tun, wenn das, worin man besonders gut ist, einen zerstört - einem für die wahre Leidenschaft aber jegliche Begabung fehlt? Die Frage hat für den regieführenden Produzenten und gleichzeitigen Hauptdarsteller Bill Hader auch mit der eigenen Vergangenheit zu tun. Acht Jahre lang begeisterte Hader als Ensemble-Mitglied der TV-Show "Saturday Night Live" das amerikanische Publikum. "Mit jeder Show wurde ich besser", erzählt er in einem Interview mit dem Business Insider. "Aber ich hatte mit starken Ängsten zu kämpfen, die stetig schlimmer wurden." Der Job, in dem man erfolgreich ist, muss einem nicht unbedingt guttun - soweit die Parallele zu Barry. Dass Hader es ansonsten aber etwas leichter hat, als seine Hauptfigur, das beweist die Existenz der Serie selbst: "Ich habe immer davon geträumt, Regie zu führen", sagt er. Der Versuch ist geglückt.

Barry, seit dem 25.03. auf Sky.

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