Cardi B bei der Grammy-Verleihung:Eine amerikanische Aufsteigergeschichte

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Cardi B kam zu der Awards-Gala in Begleitung ihres Ehemanns, des Rappers Offset (im Hintergrund). (Foto: dpa)

Die Rapperin Cardi B ist das Einstecken leid und teilt nun selbst aus. Dafür hat sie als erste weibliche Solokünstlerin den Rap-Grammy gewonnen.

Von Julian Dörr

Sie sei ein Gangsta im Kleid, rappt Cardi B auf ihrem Debütalbum "Invasion of Privacy". Als Selbstbeschreibung in einem Satz kann man das erst einmal so stehen lassen. In der Nacht zum Montag wurde die 26-jährige Künstlerin mit einem Grammy für das beste Rap-Album ausgezeichnet - als erste weibliche Solokünstlerin seit der Einführung des Preises im Jahr 1995. Die einzige andere Frau, die die Trophäe bislang erhielt, war Lauryn Hill 1997, aber als Teil der Rap-Gruppe Fugees.

Hip-Hop ist auch im Jahr 2019 noch immer ein auf allen Ebenen von Männern dominiertes Genre. Männer besetzen die Schlüsselpositionen, sind Rapper, Produzenten, der männliche Blick prägt Sprache und Ästhetik. Gewalt gegen Frauen ist ebenso Teil der Songtexte wie die Übersexualisierung vor allem schwarzer weiblicher Körper. Das Besondere an Cardi B ist nun, dass sie nicht darauf aus ist, diese frauenfeindlichen Strukturen zu zerschlagen. Im Gegenteil: Sie adaptiert sie und deutet sie zu ihren Gunsten um. So inszeniert sie sich selbst als Teil des hyperkapitalistischen Spiels, in dem sexuelle Attraktivität und Verfügbarkeit auch nur Waren und Statussymbole sind. Gleichzeitig fordert sie ihren Anteil an dieser Erzählung ein - und zwar als schwarze Frau, die aktive Protagonistin und nicht nur schmückendes Beiwerk ist.

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Am besten erkennbar im Video zu ihrer aktuellen Single "Money": Geldscheine flattern, Pailletten glitzern, Frauenhintern in engen Strumpfhosen. Alle Klischees sind erfüllt, aber etwas fehlt: die Männer. Stattdessen Cardi B, die zwischen Knarren und Kohle einem Baby die Brust gibt. Der Rapperin gelingt es, einem beinahe exklusiv von Männern bespielten Kosmos den Machismus und Sexismus zu entziehen. Was bleibt? Die Darstellung von überbordendem Reichtum als Symbol finanzieller Unabhängigkeit. Eine Art Lebensthema von Cardi B.

"Seit ich angefangen habe, Typen zu benutzen, fühle ich mich so viel besser"

Ihre Biografie ist eine klassische amerikanische Aufsteigergeschichte. Geboren als Belcalis Almanzar wächst Cardi B als Kind einer trinidadischen Mutter und eines dominikanischen Vaters in der Bronx auf. Weil ihr Partner sie misshandelt, beginnt sie als Stripperin zu arbeiten, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können. Dieser Drang nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit wird die treibende Kraft im Leben und in der Kunst der Cardi B. Auf Instagram avanciert sie zur Meme-Königin, dann schafft sie den Sprung ins Reality-TV, wo sie mit markanten Sprüchen auffällt ("Seit ich angefangen habe, Typen zu benutzen, fühle ich mich so viel besser. So verdammt mächtig"). Cardi B beginnt zu rappen und veröffentlicht ohne Rückendeckung durch ein großes Label zwei Mixtapes. Es folgt ein Deal mit Atlantic und 2017 dann der Durchbruch mit dem Song "Bodak Yellow", der zum Rap-Hit des Sommers wird. Cardi B landet als erste Rapperin seit Lauryn Hill auf Platz eins der US-Charts.

Ihre Auszeichnung bei den Grammys, dem wichtigsten US-Musikpreis, ist dennoch bloß ein Trostpreis. Das beste Rap-Album ist eine Kategorie zweiter Klasse, Cardi B war auch für "Bestes Album" und "Beste Aufnahme" nominiert, zwei der wichtigsten Auszeichnungen des Abends; hier aber hatte sie das Nachsehen. Trotzdem ist eine Rapperin, die sich gegen Konkurrenten wie Pusha T, Travis Scott und den verstorbenen Mac Miller durchsetzt, eine Sensation für die Branche.

Mit ihrer Inszenierung von Selbstbestimmtheit steht Cardi B in der Tradition von Künstlerinnen wie Missy Elliott und Nicki Minaj. Frauen wie sie verändern das Genre von innen heraus. Doch Cardi B reproduziert auch Problematisches: In den vergangenen Jahren wurde sie immer wieder für Äußerungen über Homosexuelle und Trans-Personen kritisiert. Auf diese angesprochen, zeigte sich Cardi B reuig, wirklich entschuldigt hat sie sich jedoch in keinem der Fälle. Ihre Geschichte macht auch deutlich, dass, wer Diskriminierung erfahren hat, nicht davor gefeit ist, selbst zu diskriminieren.

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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