Öffentliche Bücherschränke:"Sie passen einfach gut in die Zeit"

Lesezeit: 2 Min.

Öffentlicher Bücherschrank in München - am meisten sei in der Urlaubszeit los, meint App-Entwickler Zeising. (Foto: imago/HRSchulz)

Konsalik schwächelt, Romanzen laufen am besten: Der Blogger Tobias Zeising hat eine App entwickelt, um Bücherschränke orten zu können.

Interview von Gerhard Matzig

Tobias Zeising betreibt den Blog " lesestunden.de" und als IT-Spezialist hat der 37-Jährige auch Sinn für die Infrastruktur, die nötig ist, damit Leser und Bücher zusammenkommen. Vor zwei Jahren hat er die App "BuchschrankFinder" und eine Karte aller öffentlichen Bücherschränke im deutschsprachigen Raum entwickelt.

SZ: In Ihrem Blog sieht man, dass Sie bei sich zu Hause all Ihre Bücher nach Farben sortiert haben. Das funktioniert?

Tobias Zeising: Ja, in der Erinnerung verbinde ich bestimmte Titel mit bestimmten Farben. Außerdem liebe ich nicht nur gute Literatur, sondern auch schöne Bücher.

Wie sind Sie auf die Idee mit der App gekommen?

Vor zwei Jahren wurde bei mir am Wohnort in Grafing bei München ein öffentlicher Bücherschrank aufgestellt. Das hat mich sofort fasziniert, weil ich die Möglichkeit des anonymen Bücherteilens gut finde. Sie passt in unsere Sharing-Gesellschaft und ist auch Teil der Community-Philosophie. Als ich im Netz nachsehen wollte, wo es weitere Schränke gibt, wurde ich enttäuscht. Es gab kaum Informationen. Und da ich auch Softwareentwickler bin ...

Was leistet die App?

Verbunden mit GPS kann man über das Smartphone ganz leicht Büchertauschschränke in der Nähe finden, außerdem erhält man Informationen zum jeweiligen Schrank mit Öffnungszeiten, Kontakt und Link. Man kann auch Bücherschränke, die man neu entdeckt hat, hinzufügen - so entsteht eine Karte mit allen Schränken im deutschsprachigen Raum.

Wie viele Schränke gibt es augenblicklich in ganz Deutschland?

Moment ... es sind genau 3242. Aber das ändert sich schnell. Bücherschränke boomen jedenfalls. Sie passen einfach gut in die Zeit. Auch in anderen Ländern in Europa und weltweit greift die Idee um sich. Doch die meisten Bücherschränke dürfte es vermutlich noch immer in Deutschland geben ...

Buch "to go"
:Lesen und lesen lassen

In öffentlichen "Bücherschränken" wechselt Gedrucktes angenehm anonym den Besitzer. Was erzählen die Schränke über ihre Standorte? Eine Spurensuche.

Aus der SZ-Redaktion

... im Land der Dichter und Denker also.

Na ja, am besten laufen nach meiner Beobachtung noch immer diese Romanzen, in denen es auf der letzten Seite so oft heißt: "Und in dieser Nacht wurde sie seine Frau."

Was läuft gar nicht in den öffentlichen Bücherschränken?

Alte Reisebücher zum Beispiel. Alte Bildbände - und Konsalik, davon gibt es einfach schon genug in Deutschland. Verallgemeinern kann man das aber nicht, weil im Prinzip jeder Schrank für sich eine eigene Bücheridentität besitzt. Auch als Marktplatz. Deshalb macht es ja auch so viel Spaß, an verschiedenen Orten nach kleinen Schmuckstücken zu suchen. Auch das macht Bücherschränke ja so erfolgreich: Sie reizen die Sammelleidenschaft und die Lust am Suchen, aber andererseits kann man dort auch gut Bücher loswerden, ohne dass die auf dem Müll landen. So haben alle etwas davon. Sharing eben. Und ganz anonym. Außerdem sehr einfach und unkompliziert, sozusagen to go.

Buchblogger Tobias Zeising sagt: "Der Ort, an dem ich viel lese, ist profan: die S-Bahn." (Foto: privat)

Gibt es eine Zeit, in der die Nachfrage besonders groß ist?

Für Bücherschränke ist in der Urlaubszeit am meisten los. Als jetzt in Bayern die Ferien anfingen, sind die Schränke, die ich in meinem Umfeld kenne, regelrecht geplündert worden. Lesestoff für den Pool.

Kleine Buchhandlungen darben und Stadtteilbibliotheken schließen: Sind die Bücherschränke Konkurrenz?

Ich glaube das nicht. Der Buchhändler hat doch ein ganz anderes Sortiment, tadellos neue Bücher, Stammpublikum - und Expertise. Da kann ein Bücherschrank kaum mithalten. Ich glaube, es geht da um verschiedene Zielgruppen. Allerdings: Meistens sind es Frauen, die Bücherschränke abklappern. Das ist aber auch im Buchhandel so. Und was das Bloggen über Bücher angeht: Zu 90 Prozent ist es weiblich.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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