Theater:Männer und Medien

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Wie ein Baum: Max Simonischek als Michael Kohlhaas. (Foto: Bregenzer Festspiele / Karl Forster)

Andreas Kriegenburg bringt bei den Bregenzer Festspielen Kleists "Michael Kohlhaas" auf die Bühne.

Von Egbert Tholl, Bregenz

Am Ende kriegt Michael Kohlhaas seinen großen Monolog, das muss so sein im Theater. Max Simonischek steht vor dem Mikrophon, ein Kerl wie ein Baum, das Antlitz wie aus hartem Holz geschnitzt, die Sprache vibriert, die Stimme droht brüchig zu werden. Der Monolog ist keine freie Rede, ist die Erzählung von Kohlhaasens Hinrichtung, wie Heinrich von Kleist diese aufschrieb. Darin kommen vor: der rührende Abschied von den Kindern, der rätselhafte Zettel mit der Weissagung der Zukunft des Hauses Sachsen, den Kohlhaas wie eine letzte Hostie isst, die Genugtuung, letztlich recht zu kriegen, auf zweierlei Art, weil der schändliche Junker bestraft und sein eigener Kopf abgeschlagen wird. Simonischek ist zutiefst beeindruckend. Wie so einiges an diesem Abend.

Die Bregenzer Festspiele kooperieren seit einiger Zeit mit großen Theatern dergestalt, dass sie nicht einfach bestehende Inszenierungen einladen, sondern diese ihre Premiere in Bregenz haben. In diesem Jahr inszeniert Andreas Kriegenburg mit dem Tross des Deutschen Theaters Berlin im Theater am Kornmarkt eben Kleists "Michael Kohlhaas", die Berliner Premiere ist im Oktober.

Die Moritat vom Rächer wird bei Kriegenburg ein Tableau mit sieben Kapiteln

Kleist schrieb seine lange Erzählung, als in Europa über das legitime Recht auf politischen Widerstand, nicht nur gegen Napoleon, diskutiert wurde. Sie spielt zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als die Fürsten noch nicht in absolutistische Unerreichbarkeit entschwunden waren und der Umgang mit Recht noch etwas direkter, hemdsärmeliger war. Der Junker Wenzel von Tronka bringt Kohlhaasens Pferde zu Schanden, verprügelt dessen Knecht, Eingaben ans Gericht bleiben erfolglos, Lisbeth, die Ehefrau, kommt beim abermaligen Versuch einer solchen ums Leben. Kohlhaas, angesehener Pferdehändler, beginnt seinen Rachefeldzug. Erst brennt die Burg des Junkers, dann Wittenberg, dann Leipzig, Kohlhaas gewinnt Zulauf aus der unzufriedenen Bevölkerung, nicht einmal Luther kann ihn stoppen, und doch glaubt der Erbitterte bis zuletzt an sein Recht, bis der Kopf rollt.

Kriegenburg überführt die Moritat vom einzelnen, dickköpfigen Rächer in ein Tableau aus sieben Kapiteln, beginnend mit der Begegnung von Luther, dem herrlich knarzenden Markwart Müller-Elmau, und Kohlhaas. Beide sind Medienprofis ihrer Zeit, erreichen mit ihren Anschlägen und Flugblättern mehr Menschen, als heute mancher Internet-Heini gern hätte. Zu einem Ausgleich jedoch finden sie nicht. Danach kracht und rumpelt es auf der Bühne, die Darstellenden nehmen die groben Bretter zur Hand, aus denen Harald Thor einen zugigen Kasten baute, sie spielen als rasender Chor Verwüstung oder auch die komplette Verwirrung der politischen Ränke, die Fall umgeben, sie machen manch ulkiges Zeug und sprechen in vielen Zungen, allesamt sehr schön.

Doch Kriegenburg unterläuft das kraftvolle Männertheater von Kerlen in groben Leinen, führt zwei Erzählerinnen ein, Lorena Handschin und Brigitte Urhausen, die die männliche Borniertheit, die Klüngeleien, die Dummheit kommentieren und eine ganz andere Lösung der Misere, eine menschlich kluge, aufscheinen lassen. Aber zu der kommt es nicht. Noch nicht.

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