Wiedereröffnung Bonner Münster:Apsis aus Titan

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Die romanische Fassade des Bonner Münsters war Vorbild beim Bau der Berliner Gedächtniskirche. (Foto: Stadtdekanat Bonn)

Nach einer vier Jahre währenden Sanierung erstrahlt das tausendjährige Bonner Münster, einer der wichtigsten romanischen Kirchenbauten des Rheinlands, in neuem Glanz. Für Ludwig van Beethoven war es ein besonderer Ort.

Von Alexander Menden

Am 13. April 1992 gegen halb vier Uhr nachts wurden die Menschen im Rheinland von einem Erdbeben geweckt. Das mit einer Stärke von 6,0 auf der Richterskala größte jemals nördlich der Alpen gemessene Beben richtete zwischen Heinsberg und Köln beträchtliche Schäden an. Die Mauern des Bonner Münsters aber, dessen früheste erhaltene Teile annähernd 1000 Jahre alt waren, schienen die Erschütterung wunderbarerweise fast unbeeinträchtigt überstanden zu haben.

Beethoven erlernte im Münster das Orgelspiel

Das Bonner Münster steht ein wenig im Schatten des großen gotischen Nachbarn, des Kölner Doms. Dabei ist das Gebäude, das unter anderem als Vorbild der Berliner Gedächtniskirche diente, architektur- wie auch allgemeinhistorisch von großer Bedeutung. Die dreischiffige Basilika war eine der frühesten Kirchengroßanlagen im Rheinland, Bonn selbst, lange bevor es zum Regierungssitz der Bonner Republik wurde, Residenzstadt der Kölner Erzbischöfe. Ein Highlight seiner langen Geschichte war am 25. November 1314 die Krönung des Habsburgers Friedrich des Schönen durch Erzbischof Heinrich von Virneburg zum römisch-deutschen König. Der wohl berühmteste Bonner, Ludwig van Beethoven, erhielt als Zehnjähriger beim Münster-Organisten Zensen Orgelunterricht und übertraf dabei einen doppelt so alten Mitschüler.

Dass sich beim Erdbeben von 1992 unter dem modernen Silikatputz der romanischen Stiftskirche, vor allem im Gewölbe, große Risse gebildet hatten, stellte sich erst bei der Vorbereitung zu einer Neuverlegung der elektrischen Kabel heraus. "Ich will nicht sagen, dass die Gemeinde unter Lebensgefahr im Mittelschiff gesessen hat", sagt Stadtdechant Wolfgang Picken. "Aber es war klar, dass eine Restaurierung bei laufendem Betrieb viel zu riskant sein würde." So wurde das Münster 2017 vorerst zur Generalsanierung geschlossen, vorübergehend profaniert, Messen und Seelsorge der Gemeinde zogen einstweilen in die nahe Remigiuskirche um.

Wolfgang Picken, der 2019 aus Bad Godesberg in die Spitze des Stadtdekanats wechselte, erweist sich bei der Begehung der "Päpstlichen Basilika minor der Heiligen Cassius, Florentius und Martin" als kundiger Bauherr. Er beschreibt die statischen Herausforderungen, die sich durch die Außenneigung der Westapsis mit der Orgelempore ergab, und die Sicherung der Lang- und Querhäuser sowie der Ostapsis mittels Titanankern.

"Dieser Bau war ursprünglich innen farbig gefasst und gekälkt, aber steinsichtig, das heißt nicht verputzt", erklärt der Dechant. "Der Stein aus dem Siebengebirge und der Eifel ist porös und sorgte durch seine Durchlässigkeit für einen geregelten Luftaustausch." Diesen Austausch habe unter anderem der Putz unterbrochen, der während der preußischen Neugestaltung im 19. Jahrhundert, ebenso wie die Mosaike in der Chorapsis, hinzugefügt wurde. Teil der Sanierung war daher eine Einzelprüfung aller Sandstein- und Trachitelemente. Wo sie nicht mehr zu retten waren, wurden sie ersetzt - von dieser Maßnahme waren allein rund 80 Prozent Außensubstanz der Ostapsis betroffen.

Wer sich an den Eindruck finsterer Höhlenartigkeit erinnert, die das Münster vor seiner Einrüstung ausstrahlte, wird angenehm überrascht sein von der Helligkeit des neu gestalteten Innenraums. Die tiefhängenden Bronzeleuchter sind verschwunden, das Triforium erhielt - ebenso wie die Krypta mit dem Schrein der Stadtheiligen - eine indirekte Beleuchtung.

Unter dem Schmutz entdeckte man die älteste Ansicht der Stadt Bonn

Die kostbaren Alabasteraltäre, die so sehr nachgedunkelt waren, dass sie wie aus Gips modelliert wirkten, leuchten nach einer Laser-Reinigung und der Ergänzung fehlender Puttenköpfe mit dem gesäuberten Apsismosaik des Christus Pantokrator aus dem 19. Jahrhundert um die Wette. Die Orgel des örtlichen Herstellers Klais präsentiert sich gesäubert und um zwei Register ergänzt. Der Altar der Stadtheiligen, der früher etwas unbeachtet rechts des Hauptportals stand, ist nun das Erste, das man erblickt, wenn man das Münster betritt. Bei seiner Reinigung kam nebenbei die bisher älteste Bonner Stadtansicht zutage.

Dechant Picken, ein durchaus medienerfahrener Geistlicher, sagt, die 22 Millionen Euro teure, größtenteils vom Erzbistum Köln getragene Grundsanierung und die sich daraus ergebende jahrelange Schließung seien nötig gewesen. Doch die Menschen hätten sich auch daran gewöhnt, "mit ihren Einkaufstaschen an diesem Gotteshaus vorbeizulaufen". Um sie wieder in die größte katholische Kirche ihrer Stadt hineinzuholen, hat Picken die Ausstellung "Licht und Transparenz" mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler wie Tony Cragg, Heinz Mack und Gerhard Richter kuratiert. Speziell Craggs ubiquitäre, amorphe Skulpturen stehen in einem seltsamen Spannungsverhältnis zu dem frisch renovierten Sakralraum. Doch der Publikumszuspruch am Tag des Besuchs ist groß, die Bonner scheinen an Sanierungsergebnis wie Kunstausstellung ähnlich großes Interesse zu haben.

Die Außensanierung wird noch bis 2023 dauern. Das Münster soll allerdings bereits zu Ostern kommenden Jahres wieder vollständig seiner Bestimmung als Gotteshaus zugeführt werden. Und schon jetzt kann man wieder nachvollziehen, warum Ludwig van Beethoven in einem Gespräch mit seinem Bonner Freund Franz Gerhard Wegeler sinngemäß sagte, für "den Münsterplatz mit dem schönen alten Münster" gäbe er "ganz Wien hin".

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