Bibliotheken - Berlin:Mit Körbchen wie im Supermarkt: Bibliotheken während Corona

Berlin
"Bibliothek" steht auf einer Häuserfassade. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Hannover (dpa/lni) - Basteln, Kochen, Garten - Bibliotheksnutzer haben in den ersten Wochen der Corona-Pandemie im Frühjahr viele Ratgeberbücher ausgeliehen. "Es ging um alles, was man im Lockdown zuhause machen kann", sagt Angelika Brauns von der Büchereizentrale in Lüneburg. Auch Bücher zu Gesundheit und Recht waren gefragt.

Dabei waren die Bibliotheken seit März geschlossen. Die Ausleihe musste kontaktlos organisiert werden, manchmal mit Ablegen der Bücher vor der Tür. Zugleich sei der Zugriff auf Online-Medien in die Höhe geschnellt, sagt Brauns. Die Büchereizentrale, die sie leitet, unterstützt die kommunalen Bibliotheken in Niedersachsen.

Wenn am Samstag in Deutschland der Tag der Bibliotheken begangen wird, blicken auch die Büchereien im Norden auf ein schwieriges halbes Jahr mit Corona zurück. In Niedersachsen gibt es etwa 960 Bibliotheken, davon etwa 600 in kommunaler Hand. In Bremen zählt der Bibliotheksverband 18 Mitglieder.

Kinderbücher waren ebenfalls ein Renner, solange alle zuhause sitzen mussten, sagt Carola Schelle-Wolff, Direktorin der Stadtbibliothek Hannover. "Die Eltern brauchten Nachschub." Manche Familien hätten sich Pakete mit fünf Büchern bestellt, viele wollten auch Spiele. Bestsellerromane waren gefragt, aber in der stillen Zeit hätten auch einige Leser zu klassischer Literatur gegriffen, sagt die Direktorin.

Seit Ende April oder Anfang Mai sind die Bibliotheken wieder für Besucherinnen und Besucher zugänglich - aber mit Einschränkungen. Wie im Supermarkt wird vielerorts die Zahl der Nutzer mit Einkaufskörben reguliert. Viele Leseplätze sind gesperrt, um die Abstandsregeln einzuhalten. Anfangs durften Besucher sich zwei Stunden in der Stadtbibliothek Hannover aufhalten, sagte Schelle-Wolff der Deutschen Presse-Agentur. Dann wurde die Zeit auf eine Stunde verkürzt, um mehr Menschen die Gelegenheit zu einem Besuch geben zu können.

Das macht das Arbeiten in der Bibliothek schwierig. "Im Moment entfällt immer noch die Funktion von Bibliotheken als Ort des Lernens, als Ort der Begegnung", sagt Gundula Felten, die Geschäftsführende Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes in Niedersachsen. Die Bibliotheken bieten viel weniger Veranstaltungen als sonst an. Und auch die sonst so enge Kooperation mit den Schulen ist nach Auskunft der Bibliothekarinnen schwieriger zu organisieren.

In wissenschaftlichen Bibliotheken wie der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen hat sich unter Corona inhaltlich wenig an der Nachfrage geändert - Studierende brauchen ihre Standardwerke. Deshalb habe die Bibliothek viel in Lizenzen für E-Lehrbücher und E-Zeitschriften investiert, sagt Direktorin Maria Elisabeth Müller.

Sie berichtet von einem ungewöhnlich engen Kontakt mit den Nutzern in der schwierigen Zeit: "Wir haben noch nie so intensiv über Beschaffung und Bereitstellung gesprochen." Die Bibliothek ging so weit, dass sie bestellte Bücher vom Handel direkt an die Leser liefern ließ - ohne sie vorher zu katalogisieren. Die Nutzer hätten diese neuen Bücher brav hinterher in der Bibliothek abgegeben.

Felten, Leiterin der Landtagsbibliothek in Hannover, zieht vor allem eine Lehre aus der Arbeit der Bibliotheken unter Corona-Bedingungen: Sie bräuchten einen flächendeckenden Ausbau ihrer digitalen Infrastruktur. Deutschland sei generell "nicht an vorderster Front" bei der Digitalisierung, sie sei aber besonders wichtig für ein Flächenland wie Niedersachsen, sagte Felten. Eine verbesserte digitale Ausstattung fordert auch der Deutsche Bibliotheksverband in seinem Jahresbericht zum Bibliothekentag.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: