Sprachkritik:"Anti-Abschiebe-Industrie" ist Unwort des Jahres

Mit dem Unwort des Jahres will die Jury auf "unangemessene Formen des öffentlichen Sprachgebrauchs" hinweisen. (Foto: SZ)
  • Der Ausdruck sei "als offensichtlicher Kampfbegriff in die politische Diskussion eingeführt worden", erklärte die Jury.
  • Der Begriff geht auf CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zurück, der ihn im Mai vergangenen Jahres verwendet hatte.
  • Mit "Anti-Abschiebe-Industrie" wurde zum 28. Mal ein Unwort ausgerufen.

Das "Unwort des Jahres 2018" ist "Anti-Abschiebe-Industrie". Das gab die Jury in Darmstadt bekannt. Die Formulierung sei im Mai 2018 durch den CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt "als offensichtlicher Kampfbegriff in die politische Diskussion eingeführt worden", erklärte die Jury des Sprachwettbewerbs.

Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag hatte ihn mit Blick auf Flüchtlingshelfer und Asylanwälte verwendet. Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden, hatte der CSU-Politiker damals der Bild am Sonntag gesagt und die "Anti-Abschiebe-Industrie" in Deutschland beanstandet.

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In der Begründung heißt es weiter: "Der Ausdruck unterstellt denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützen und Abschiebungen auf dem Rechtsweg prüfen, die Absicht, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen zu wollen."

Die Jury aus vier Sprachwissenschaftlern, einem Journalisten und dem Kabarettisten Jess Jochimsen möchte mit dem "Unwort des Jahres" auf unangemessene Formen des öffentlichen Sprachgebrauchs aufmerksam machen und dadurch Sprachreflexion und Sprachsensibilität in der Bevölkerung fördern. Mit der Wahl kritisiert sie Schlagworte, die "gegen das Prinzip der Menschenwürde" und "Prinzipien der Demokratie" verstoßen, weil sie "einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren" oder "euphemistisch, verschleiernd oder gar irreführend" sind.

Das "Unwort des Jahres" wurde 1991 von dem Frankfurter Germanistikprofessor Horst Dieter Schlosser initiiert. Seit 2011 ist die Darmstädter Sprachwissenschaftlerin Nina Janich Jury-Sprecherin. Vor einem Jahr war "Alternative Fakten" zum Unwort des Jahres bestimmt worden. Davor waren es "Volksverräter" (2016), "Gutmensch" (2015) und "Lügenpresse" (2014).

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