Amazon Kindle Direct Publishing:Do it Yourself-Schriftsteller

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Der E-Reader. (Foto: Bloomberg)

Die Amazon-Plattform Kindle Direct Publishing macht es jedem Autor leicht, sein eigenes Werk zu publizieren: kostenlos und mit einem Klick. Nur für die Qualität garantiert keiner. Was das für die Zukunft des Verlagswesens bedeuten könnte.

Von Milena Fee Hassenkamp

Die mit Abstand beliebteste Möglichkeit, eigene Texte online zu veröffentlichen ist die Online-Publishing-Plattform Kindle Direct Publishing (KDP). Seit 2011 ermöglicht das Amazon-Angebot auch in Deutschland jedem Autor, einfach sein E-Book zu veröffentlichen. Hobby-Autoren überschwemmen seither die E-Book-Bestsellerlisten bei Amazon und übertrumpfen oft die E-Books der klassischen Verlage. Nur wenige unter ihnen haben allerdings das Zeug zum Erfolg in der analogen Welt.

Vorreiter dieses Trends war in Deutschland Jonas Winner. Er schrieb mit seiner siebenbändigen "Berlin Gothic"-Reihe 2011 beim Start von Kindle Direct Publishing in Europa die erste deutsche KDP-Erfolgsstory. Mehr als 100.000 Bücher verkaufte er innerhalb von zehn Monaten online, bevor die Reihe vom Verlag Droemer Knaur verlegt wurde.

Mit einem Klick ist alles da

Winner erkannte seine Chance, als Amazon KDP auf den deutschen Markt brachte. Außerdem wollte er nicht länger auf das Erscheinen seiner Reihe warten. Online lässt sich oft die lange Produktionszeit eines gedruckten Werkes umgehen: mit einem Klick ist alles da. Obendrein sind die Kosten für die Veröffentlichung gleich null. Winner kalkulierte, so wie es alle E-Publisher tun, und bot seine Reihe erstmal für 99 Cent pro Band an.

Literatur als billige Massenware - ein Prinzip, das dem Effektivitätsprinzip des Marktriesen Amazon entspricht. Demnach ist ein Buch dann gut, wenn es für einen Euro möglichst oft in den virtuellen Einkaufskorb gelegt wird und in den Rankings nach oben schnellt. Eine dezidierte Entscheidung für den Inhalt des Buches ist das allerdings nicht zwingend, eher eine aufgehende Marketingstrategie, die sich an den Klick-Konsum der Amazon-Kunden anpasst, Online- Bestseller generiert und Personal einspart.

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Was das für die Qualität der Produkte bedeutet, kann man täglich bei Amazon sehen. Von den KDP-E-Books, die in den Amazon Top 100 gemeinsam mit den E-Books traditioneller Verlage gerankt werden (wobei erstere meist auf den besten Plätzen vertreten sind), haben nur wenige das Zeug, einen etablierten Verlag zu finden, urteilt Cheflektor Lutz Dursthoff von Kiepenheuer und Witsch, der die Rankinglisten verfolgt.

Doch es gibt Ausnahmen. Die Autorin Annelie Wendeberg zum Beispiel. Nachdem sich ihr erstes Buch "Teufelsgrinsen" über KDP in den USA mehr als 10.000 Mal verkauft hatte, fand sie in KiWi einen Verlagspartner in Deutschland. In den USA arbeitet sie weiterhin als so genannte "Indie-Autorin", also als Autorin, die ihre Arbeit im Eigenverlag publiziert.

Auch online zählt "Vitamin B"

Die Zusammenarbeit zwischen den klassischen Verlagen und dem Onlinepublishing geht laut Dursthoff gerade erst los. Intensiv betrieben wird die Recherche nach Onlinebestsellern in den Verlagen bislang nicht. Die Geschichten von Winner und Wendeberg zeigen jedoch, wie erfolgreich einzelne Autoren durch KDP werden können. Sie zeigen aber auch: am Ende steht meist ein klassischer Verlag, für den ein solcher wirtschaftlicher Test, als den man KDP verstehen kann, natürlich von Nutzen ist.

Den Vorteil, den ein Verlag im Gegenzug für den Schriftsteller hat, ist unbestritten. Als alleinige Erwerbsquelle taugt KDP in der Regel nicht. Zwar klingen die Konditionen erst einmal vielversprechend: Tantiemen zwischen 35 und 70 Prozent und weltweiter Vertrieb, während Autoren in einem klassischen Verlag in meist "nur" einen Anteil von etwa sechs bis zwölf Prozent erhalten.

KDP-Publisher verzichten auf jeglichen Schutz durch den Verlag, erhalten keinen Vorschuss und kümmern sich selbst um Layout und Pressearbeit. Dabei mangelt es ihnen in der Regel an der Erfahrung der Verlage, die nicht umsonst Marketing-Fachleute beschäftigten. Wie wichtig diese sind, zeigt schon das durchschnittliche Einkommen der Indie-Autoren, das deutlich macht, wie weit das Selfpublishing von einer Haupteinnahmequelle entfernt ist. Einer Umfrage zufolge kommen die Autoren mit Selfpublishing nur auf einen monatlichen Durchschnittsverdienst von 312 Euro.

Megaanbieter mit Monopolstellung

Auch in Rechtsfragen steht dem Selfpublisher in der digitalen Welt niemand zur Seite. Hier fehlen viele Regelungen, die geistiges Eigentum schützen und einen gewissen Qualitätsstandard bewahren, bemängelt Imre Tökök, Bundesvorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller. Man sei mit KDP außerdem "ausgeliefert an einen Mega-Anbieter ohne Alternativen".

Amazon dominiert mit seinem E-Reader Kindle den Markt. Vor einer solchen Monopolstellung hat die gesamte Verlagswelt Respekt, wie sich auch in der Debatte um den insolventen Weltbild-Verlag zeigte. Das Versprechen, das Amazon mit KDP gibt, ist auch deshalb kritisch zu betrachten.

Jeff Bezos und das neue Kindle. (Foto: dpa)

Ein optimierter Verlag

Amazon baut seine Verlagstätigkeiten immer weiter aus. So hat der Internetanbieter jüngst einen eigenen Verlag geschaffen. Unter der Marke Amazon Publishing erscheint auch Amazon Encore. Hier werden Titel, die vorher bei KDP erschienen sind, von Lektoren ausgewählt und in gedruckter Form veröffentlicht.

Der Konzern legt damit ein Verlagsmodell vor, in dem Literatur wirtschaftlich optimiert wird. Denkt man diese Idee weiter, steht dort eine Form von Verlag, die keinem Titel eine Chance gibt, der sich nicht von Anfang an verkauft. Eine Veröffentlichungsmaschinerie, bei der es nur noch um Effektivität geht. Eine Welt, in der es keinen Nährboden für kreative Projekte mehr gibt, findet auch Imre Tökök.

Literatur ist kein Wegwerfartikel

Denn Kreativität entsteht fern von wirtschaftlichem Druck und kann sich nicht nur nach Trends richten. Und die meisten Autoren wünschen sich zudem nicht bloß einen schnellen wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch, dass das eigene Werk nachhaltig bewegt und angemessen honoriert wird. Ob das auch das ist, was der Leser in Zukunft will, muss sich allerdings noch zeigen.

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