Chance für insolventen Verlag:Gemeinsamer Feind könnte Weltbild retten

Weltbild

Es gibt erste Angebote für den insolventen Weltbild-Verlag.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Erste Angebote liegen vor, erste Gespräche sind geführt: Für Weltbild gibt es noch Hoffnung. Das liegt vor allem an der US-Konkurrenz. Denn der Kampf ums Überleben von Weltbild ist auch ein Kampf gegen die Vorherrschaft von Amazon.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Dem Insolvenzverwalter der Verlagsgruppe Weltbild liegen erste Angebote von potenziellen Käufern vor, er hat auch bereits erste Gespräche geführt. Dies bestätigte Arndt Geiwitz am Donnerstagabend in Augsburg. Namen nannte er nicht, zudem ließ er offen, ob die Interessenten das Unternehmen - wie erhofft - komplett oder nur in Teilen erwerben wollen. Bei der Betriebsversammlung am Mittwoch hatte Geiwitz den Mitarbeitern des Versandhauses mitgeteilt, dass zahlreiche Unternehmen aus der Buchbranche ihre Unterstützung angeboten hätten. "Auch die großen Verlage haben ein Interesse am Fortbestand von Weltbild", sagte er.

Hintergrund dieses Interesses ist dem Vernehmen nach die Angst vor einem Monopol des Online-Konzerns Amazon. "Viele Händler wollen nicht von Amazon abhängig sein", sagt Klaus Warbruck, ein externer Berater des Weltbild-Betriebsrats. Ist der Kampf ums Überleben von Weltbild also auch ein Kampf gegen die Vorherrschaft von Amazon? "Ja", sagt Geiwitz. Weltbild hatte zuletzt zusammen mit den Buchhändlern Bertelsmann, Hugendubel, Thalia sowie mit der Telekom das E-Book-Lesegerät Tolino auf den Markt gebracht - und damit das Amazon-Produkt Kindle erfolgreich geärgert.

Am Donnerstag traf sich Geiwitz in Augsburg erstmals mit Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Arbeitsministerin Emilia Müller. Am Tisch saßen auch Oberbürgermeister Kurt Gribl (alle CSU) und der Münchner Generalvikar Peter Beer in seiner Funktion als Weltbild-Aufsichtsrat. "Wir haben ein großes Interesse an einer zukunftsfähigen Fortführung des Betriebs", bekräftigte Ilse Aigner nach dem Treffen. In dem etwa einstündigen Gespräch ging es vor allem darum, aus erster Hand einen "Zwischenstand" zu erhalten.

Tolino spielt eine Schlüsselrolle

Im Vorfeld der Sitzung hatte Ministerin Müller den Mitarbeitern staatliche Unterstützung in Aussicht gestellt. Es gebe "Instrumente" wie den Europäische Sozialfonds und den Arbeitsmarktfonds, falls es zu einer Transfergesellschaft komme. Zunächst sei jedoch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz am Zug: "Es ist seine Aufgabe, ein tragfähiges Konzept zu erstellen, um die Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen und die Arbeitsplätze zu sichern." Allerdings betonte Geiwitz, es sei "noch zu früh", schon jetzt Zukunftskonzepte vorzulegen.

Vertreter der Arbeitnehmer und der Gewerkschaft Verdi fordern die 14 kirchlichen Eigentümer dazu auf, sich für die Fortführung des Unternehmens einzusetzen. Diesem Ansinnen erteilte der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa eine Absage: Er halte es nicht für denkbar, dass die katholische Kirche Eigentümer der Verlagsgruppe bleibt, sagte Zdarsa der Katholischen Nachrichten-Agentur. Die Kirche werde sich aber ihrer sozialen Verantwortung für die Mitarbeiter stellen. Inzwischen glaubt niemand mehr, dass das Unternehmen komplett erhalten werden kann. "Unser Ziel ist es, möglichst viele Teilbereiche zu retten", sagt Arndt Geiwitz. Möglichst viele. Schon das sei "nicht einfach, weil wir ein schwieriges Marktumfeld haben." Amazon nennt er "übermächtig".

Eine Schlüsselrolle könnte aber der Tolino spielen. Nach einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK hat der Tolino beim E-Book-Verkauf einen Marktanteil von 37 Prozent - und belegte damit Platz zwei hinter dem Kindle (40 Prozent). Der Abstand habe sich zuletzt sogar verringert. Damit gilt Deutschland als eines der wenigen Länder, in dem der Kindle noch einen Konkurrenten auf Augenhöhe habe.

"Keine Beeinträchtigung" für den weiteren Erfolg

Der große Unterschied zwischen Tolino und Kindle ist: Den Kindle kann man nur im Amazon-Shop mit Inhalten befüllen, der Tolino ist dagegen offen für diverse Plattformen. Zudem kann man ihn in den Filialen der Kooperationspartner testen und erklären lassen. Wie viele Tolino-Geräte und E-Books tatsächlich verkauft wurden, verraten die Unternehmen nicht.

Weltbild-Insolvenzverwalter Geiwitz bezeichnet den Tolino als "Hoffnungspunkt", mit dem Gerät spiele Weltbild im digitalen Geschäft "ganz vorne mit". Allerdings räumt er auch ein, dass die Zukunft "nicht ganz einfach" sei. Direkt nach der Sitzung in Augsburg eilte er nach München, um dort mit einem Tolino-Kooperationspartner das weitere Vorgehen zu besprechen.

Die beteiligten Unternehmen äußern sich zur Zukunft des Tolinos reserviert: "Ob und wenn ja, welche Auswirkungen die Insolvenz von Weltbild für die Partnerschaft hat, werden wir gemeinsam mit unseren Partnern beurteilen müssen", sagt die Sprecherin des Buchhändlers Thalia. Sie sehe derzeit "keine Beeinträchtigung" für den weiteren Erfolg. Bei Thalia sei der Tolino im Weihnachtsgeschäft "der Topseller" gewesen - stationär und online. Eine Sprecherin der Telekom äußerte sich "überzeugt, dass der Tolino weiterhin eine wichtige Rolle im hiesigen digitalen Markt spielen wird."

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