Ridley Scott hat noch immer Angst vor dem Weltraum. Er glaube fest an überlegene außerirdische Wesen, ließ der Regisseur jüngst die Öffentlichkeit wissen. Nasa-Wissenschaftler würden, auf Grundlage der chemischen Zusammensetzung bestimmter Planetentypen, rechnerisch 100 bis 200 Exemplare innerhalb der Milchstraße annehmen. Seine Empfehlung, falls irgendwann mal etwas Großes am Himmel auftauchen sollte: "Macht, dass ihr wegkommt!".
Fans der "Alien"-Saga dürfte diese Verlautbarung in einen emotionalen Konflikt versetzt haben. Sollten sie nun selbst ein bisschen Angst bekommen und der ominösen Alien-Wahrscheinlichkeitsrechnung nachforschen (Suchbegriff: "Drake-Gleichung")? Oder sich doch lieber freuen, dass der Xenomorph, das albtraumhafte Monster, das Scott 1979 in "Alien" erstmals entfesselte, ihn auch heute noch immer umzutreiben scheint? Erste Zweifel daran wurden laut, als 2012 "Prometheus" erschien. Der Film sollte eine Prequel-Reihe zum ersten Teil anstoßen, also keine Fortsetzung, sondern eine Vorgeschichte erzählen. Doch nicht mit Aliens beschäftigte sich der 79-jährige Regisseur darin, sondern mit der Sterblichkeit des Menschen und woher dieser überhaupt stammt. Statt eine Handvoll Raumfahrer in düsteren Gängen abschlachten zu lassen, wie sich das für einen "Alien"-Film gehört, schickte er sie zu einem fremden Planeten, auf dem sie die genetischen Erbauer der Menschheit vermuteten.
Die erhofften Antworten fanden sie dort nicht. Dafür aber eine merkwürdige Flüssigkeit in schwarzen Vasen, die aussahen wie eine Kreuzung zwischen dem schwarzen Kubus aus Stanley Kubricks "2001" und den Alien-Eiern aus der ursprünglichen Saga. Was den Film, nebenbei bemerkt, recht gut zusammenfasst.
Lustvoll hinausgezögerte Schockmomente machen den Film doch wieder zu einem Spektakel
Diese Flüssigkeit wird nun zum dramaturgischen Dreh- und Angelpunkt von "Alien: Covenant". Nach dem mystischen, durchaus stimmungsvollen "Prometheus"-Vorspiel steuert Scott nun recht zielsicher auf das ursprüngliche "Alien"-Universum zu. Er tut das, indem er Monsterkunde betreibt, eine Xenomorphologie, wenn man so will. Die Flüssigkeit, ein Evolutionsbeschleuniger, wie sich herausstellt, ist dabei die Hauptzutat.
Die "Alien"-Reihe, die Scott nach dem ersten Teil aus der Hand gab, rückt damit in die bedenkliche Nachbarschaft von Michael Bays "Transformers"-Franchise. In dessen viertem Teil entdecken Wissenschaftler ein neuartiges Element, das sogenannte Transformium. Es vermag per Programmierung jede beliebige Materie in jeder Gestalt anzunehmen. "Wir können alles in alles verwandeln", freuen sich die Forscher, und die Drehbuchschreiber gleich mit, denn damit haben sie sich schließlich selbst einen Freifahrtschein ausgestellt. Eine der Figuren in "Alien: Covenant" fasst analog dazu zusammen: "Es gibt hier so viel, das keinen Sinn macht."
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Der Forscher, der nun das Xenotransformium, die schwarze Flüssigkeit aus den Vasen, für seine Zwecke nutzt, ist ein verrückter Wissenschaftler, wie er im Buche steht: mit barocken Pergamentbergen, obskuren Zeichnungen und einem Monster im Keller. Ihm verdankt der Film die Momente, die den Kinobesuch eben doch lohnen. Die ursprünglich vierteilige Reihe hatte die ikonischen Bildmotive um Tod und Geburt so oft wiederholt, bis sie schließlich fast zu einer Art Running Gag verflacht und dementsprechend bis ins Dadaistische übersteigert werden mussten. In "Alien: Covenant" zahlt sich das tiefe Atemholen, die großzügige Umdeutung, für die man Altmeister Scott zurück in den Regiestuhl zurückgeholt hat, nun eben doch aus.
Auch hier bricht natürlich irgendwann ein Alien aus einem hilflosen Leib, springt jemandem ein "Facehugger" ins Gesicht. Aber der bis dato geschaffene erzählerische Hintergrund bildet dazu mehr als nur eine orchestrale Rahmung, sondern eine genuin neue Perspektive. Im Zentrum steht nicht mehr die Konfrontation des Menschen mit dem zähnefletschenden Unbekannten, sondern mit seiner eigenen Schöpfung. "Sieh ganz genau hin", sagt der verrückte Wissenschaftler, während sich der Mensch dem Alien-Ei nähert. Er weiß ebenso gut wie wir, was kommt. Dieses langsame, umständliche Herantasten erfüllt innerhalb des Films den Zweck, den "Prometheus" für die Saga insgesamt hatte: Es ist eine Art lustvoll hinausgezögerter Schockmoment, statt lediglich mit einer weiteren Idee um die Ecke zu kommen, wie das Ei dieses Mal den tödlichen Aliensamen hinausejakulieren und sein Opfer schwängern könnte.
Wenn wir an Scotts Schlussfolgerungen aus der Drake-Gleichung denken, stellt sich die Frage, ob es diese Angst ist, aus deren quasi-wissenschaftlicher Perspektive wir den Menschen beobachten, wie er sehenden Auges, kindlich in seiner Neugier, körperlich schwach und dem Tod verfallen, auf das Alien-Ei zugeht.
Der Horror dieses Alterswerks besteht darin, dass die Angst auch bleibt, wenn man sie versteht
Sie ist ganz anderer Art als der jugendlich frische Grusel im ersten Teil von 1979. Damals war der Schrecken noch ein Lovecraft'scher "Cosmic Horror", namenlos und unerklärlich, die Ausgeburt eines leeren Universums, in dessen Tiefen kein Weihnachtsmann und kein Gott, sondern nur der Tod wartet. "Alien: Covenant" ist ein Alterswerk im guten und im schlechten Sinn. Ein bisschen zerstreut, aber mit ruhiger Hand inszeniert. Angetrieben von einer Angst, für die man, um sie ganz zu verstehen, vermutlich erst alt werden muss: dass der Schrecken auch dann nicht nachlässt, wenn man ihn erklären kann.
Alien: Covenant , USA 2017 - Regie: Ridley Scott. Buch: John Logan, Dante Harper. Kamera: Dariusz Wolski. Mit: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup . Fox, 122 Minuten.