Physik:Untrennbar verwoben. Einsteins Relativitätstheorie

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Carl Wilkinson, James Weston Lewis: Albert Einsteins Relativitätstheorie. Insel Verlag 2021. 84 Seiten, 29,00 Euro (Foto: N/A)

Raum und Zeit werden von Carl Wilkinson und James Weston Lewis in Wort und Text erklärt

Von Helmut Hornung

Die perfekte Szene in einem Science-Fiction-Film: Ein 200 Meter langer Zug rast mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in einen 50 Meter langen Tunnel - und verschwindet komplett darin. Der witzige Einfall eines Drehbuchschreibers? Nein, harte Physik! Relativistische Längenkontraktion heißt dieses komplexe Phänomen. Es folgt aus einer Theorie, die Albert Einstein vor mehr als einem Jahrhundert entwickelt hat. Wer sonst?, möchte man fragen, denn der Wissenschaftler gilt nicht nur als Inbegriff von Genialität, sondern ebenso als Meister des Absurden. Er hat das physikalische Weltbild revolutioniert und es gleichzeitig geschafft, Menschen von Erkenntnissen zu faszinieren, die sie im Grunde gar nicht verstehen. Einstein war dies durchaus bewusst und so versuchte er in Vorträgen und Büchern, seine Ideen und ihre Konsequenzen verständlich zu beschreiben. Dabei setzte er Gedankenexperimente ein, die ihm auch bei seiner Forschung halfen. Seither haben sich unzählige Autoren an der Relativitätstheorie abgearbeitet, mehr oder weniger erfolgreich.

Das Buch, das der Journalist Carl Wilkinson und der Zeichner James Weston Lewis für jugendliche Leserinnen und Leser vorlegen, hätte Albert Einstein sicher gefallen. Anhand großformatiger doppelseitiger Illustrationen erklärt das kongeniale Duo an jeweils abgeschlossenen Themen die spezielle sowie die allgemeine Relativitätstheorie. Zudem fließen immer wieder Wegmarken aus Einsteins Biografie ein und vervollständigen die einzelnen Wissenshäppchen zu einem Gesamtbild des großen Physikers.

Geschickt beschreibt Wilkinson gleich am Anfang die für das Verständnis fundamentalen Begriffe "Schwerkraft", "Zeit", "Raum" oder "Licht" und deren traditionelle Interpretationen, die auf Wissenschaftler wie Isaac Newton zurückgehen und gleichsam zur alten Physik gehören.

In seiner Relativitätstheorie formuliert Einstein die ersten Säulen seiner neuen Physik

Im Kontrast dazu entwirft der Autor dann Schritt für Schritt die Architektur von Einsteins Weltgebäude, beginnend mit dem Begriff Relativität und dem Wunderjahr 1905, in dem der damalige Angestellte am Berner Patentamt vier bahnbrechende Arbeiten vorlegte. Für eine davon, die übrigens nichts mit der Relativitätstheorie zu tun hatte, wurde ihm der Nobelpreis für das Jahr 1921 verliehen.

In seiner speziellen Relativitätstheorie, die allem widerspricht, was Naturwissenschaftler und Denker bis dahin geglaubt hatten, formuliert Einstein die erste Säule seiner neuen Physik. Darin sind Raum und Zeit untrennbar miteinander verwoben, ist die Lichtgeschwindigkeit stets konstant und lassen sich Masse und Energie ineinander umwandeln nach der wohl berühmtesten Formel aller Zeiten: E = mc². Auf der speziellen Relativitätstheorie gründen so seltsame Dinge wie die erwähnte Längenkontraktion oder das Zwillingsparadoxon, wonach ein Astronaut, der sich in seiner Rakete annähernd mit Lichtgeschwindigkeit durchs All bewegt, viel langsamer altert als seine auf der Erde zurückgebliebene Zwillingsschwester.

Mit diesen physikalischen Merkwürdigkeiten und auch mit den Grundzügen der allgemeinen Relativitätstheorie, mit schwarzen Löchern und Gravitationswellen macht Wilkinson auf profunde Weise vertraut. Der Nutzen der Theorie, etwa für GPS-Navis und Laser (die erwähnten Glasfaserkabel haben mit Einstein nichts zu tun) sowie ein Blick auf die Zukunft der Physik stehen am Ende des Buchs. Rundum empfehlenswert? Ja, aber mit einer Einschränkung: Das erste Durchblättern erweckt wegen der ansprechenden Optik den Anschein, man könne mal eben so in Einsteins Welt eintauchen und auf Anhieb alles problemlos verstehen. Tatsächlich stellt das Buch trotz der kurzen Textblöcke und der gelungenen Illustrationen hohe Ansprüche an Konzentration und Vorstellungkraft. Aber es liefert auf jeden Fall die Grundlagen für eigene Gedankenexperimente (ab 14 Jahre)

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