Oscar 2010:Ein Rosenkrieg mit James Cameron als Verlierer

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Die Exfrau schnappt Cameron den Goldjungen weg, Sandra Bullock gewinnt die Himbeere und den Oscar - und ein Underdog wird belohnt: eine Nacht wie ein Drehbuch.

K. Riehl

Nicht Besseres hätte einem Drehbuchautor einfallen können: Da ist ein Favorit, ein unschlagbar teures und unschlagbar erfolgreiches Filmspektakel, gemacht von einem der ganz großen Regisseure. Jahrelang hat er darauf hingearbeitet, auf diesen einen großen Film und auf diese eine Oscar-Verleihung, bei der er dann der unschlagbare Abräumer werden würde.

Doch dann kommt ein Gegenkandidat, ein kleinerer Film, weniger Budget, aber viel Lob. Und die Kraft hinter dem Konkurrenzfilm ist nicht irgendwer: Es ist eine Regisseurin, es ist seine eigene Exfrau.

Also rückt die Oscar-Nacht näher, es wird spekuliert, doch dann machen die Gegner des Super-Regisseurs einen dummen Fehler: Einer der Produzenten schreibt eine E-Mail an die Academy und fordert die Mitglieder auf, für den kleineren, für seinen Film zu stimmen - nicht für das 500 Millionen teure Kino-Event.

Die Jury könnte den Konkurrenten wegen dieser E-Mail von der Verleihung ausschließen, aber sie tut es nicht. Nur der Verfasser des besagten Schreibens muss der Veranstaltung fernbleiben.

Und dann, bei der Verleihung, tröpfeln sie herein, die Oscars für den Underdog, für den kleineren Film, einer nach dem anderen. Am Schluss wird The Hurt Locker zum besten Film gekürt und Regisseur James Cameron, der Herr über das Groß-Opus Avatar, muss auch den Regie-Oscar seiner Ex-Gemahlin Kathryn Bigelow überlassen.

Man darf wohl annehmen, das James Cameron sich ein klein wenig geärgert haben dürfte. Auch wenn er, ganz Profi, rasch der einstigen Dame seines Herzens gratulierte und ihr schon im Vorfeld symbolisch an die Gurgel ging. Erstmals in der Oscar-Geschichte wurde eine Frau für die beste Regie ausgezeichnet.

Ein Abend nach Drehbuch. Eine Show ganz Hollywood. Zu einem guten, vor allem zu einem guten amerikanischen Drehbuch fehlen noch ein paar Zutaten. Zum Beispiel braucht ein solches Buch natürlich einen glorreichen Außenseiter: den guten, aber unterschätzen Mann, dem endlich und nach langen Jahren Gerechtigkeit widerfährt.

Schon vier Mal war Jeff Bridges für einen Oscar nominiert, gewonnen hat er ihn nie. Und dann, als dieses Jahr die Nominierungen kamen, war klar, dass es auch diesmal wieder schwierig werden würde - musste er doch gegen Hollywoods Liebling George Clooney antreten. Der hat natürlich schon längst einen Oscar bei sich zu Hause im Regal stehen.

Vielleicht also hat es der Academy also gut ins Drehbuch gepasst, vielleicht fand man, dass Bridges es nun endlich mal verdient hätte. Vielleicht war er aber auch einfach besser: Für seine Rolle als heruntergekommener Country-Musiker in Crazy Heart hat er sich gegen Clooney als knallharter Personalabwickler in Up in the Air  durchgesetzt.

Österreich? Einbürgern!

Ein geschiedenes Ehepaar, das in einer Art akademischen Rosenkrieg um den Oscar kämpft, ein vernachlässigter Publikumsliebling, dem endlich die verdiente Ehre zuteilwird - was noch fehlt für eine perfekte Hollywood-Nacht ist ein wenig Komik.

Also hat man einer Frau einen Oscar als beste Hauptdarstellerin verliehen, die nur wenige Stunden zuvor eine ganz andere Auszeichung an sich nehmen durfte: Sandra Bullock hatte die Goldene Himbeere für die schlechteste schauspielerische Leistung des Jahres nur wenige Stunden zuvor in Empfang genommen.

Nun also hat auch sie einen Oscar gewonnen - das muss Pro-Sieben-Moderator Steven Gätjen schon geahnt haben, als er sich auf dem roten Teppich für ein Interview auf sie stürzte. Da forderte er sie auf, doch bitte ein wenig Deutsch ins rot-weiße Pro-Sieben-Mikro zu sprechen. Der gute Mann vom deutschen Fernsehen, das in dieser Nacht seltsam stumm blieb und sich womöglich eine ansprechende Präsentation nicht mehr leisten kann, wollte die Tochter einer deutschen Opernsängerin und eines US-Soldaten am liebsten gleich dazu bringen, doch einfach für Deutschland ins Oscar-Rennen zu gehen.

Auch Steven Gätjen versteht etwas von guten Drehbüchern und weiß, dass Menschen am liebsten dann zusehen, wenn sie sich mit etwas oder jemandem identifizieren können. Und da sah es für den deutschen Fernsehzuschauer dieses Jahr deutlich trostloser aus als in den letzten Jahren, in denen wir dank Caroline Link und Florian Henckel von Donnersmarck mit echten Chancen nach Hollywood und dann ja auch mit echten Oscars wieder nach Hause fuhren.

Trostlos, obwohl man hierzulande mit so großer Mühe daran ging, die Einbürgerung der deutschsprachingen (oder, der Einfachheit halber: deutschen) Oscar-Anwärter aus Österreich, Christoph Waltz und Michael Haneke, voranzutreiben. Ist ja schließlich gleich ums Eck.

Eingebettet sind all die einzelnen Geschichten dieses Drehbuchs in eine recht simple Rahmenhandlung: Zwei Männer mittleren Alters stehen auf einer Bühne und machen Witzchen von unterschiedlicher Qualität - na ja, die meisten eigentlich von ähnlicher Qualität: Als Steve Martin und Alec Baldwin den großen James Cameron begrüßen, setzen sie sich zum Beispiel 3-D-Brillen auf die Nasen. Das muss einem erst mal einfallen.

Nicht schlecht immerhin der Gag, die Oscar-Verleihung sei so lang geraten, dass Avatar schon wieder Vergangenheit sei.

Und die Stars im Publikum, die lächeln tapfer, wenn sich ein bisschen Häme über ihre Köpfe ergießt: So steht es schließlich im Drehbuch.

Im Video: Das Irakkriegsdrama "The Hurt Locker" hat bei den Oscar-Verleihungen abgeräumt - der Film über eine Gruppe von US-Bombenentschärfern erhielt in der Nacht auf Montag sechs Auszeichnungen, darunter bester Film und beste Regie für Kathryn Bigelow.

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