Wohnraum:Oma ihr zu großes Häuschen

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Einfamilienhäuser in Erfurt: Ältere Menschen haben in Deutschland im Schnitt deutlich mehr Platz zum Wohnen als jüngere. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Ein Essay löst ein breites Echo unter SZ-Leserinnen und -Lesern aus: Junge Familien finden schwer eine Bleibe, alleinstehende Senioren bewohnen dagegen großzügige Flächen. Muss Wohnraum anders verteilt werden?

Essay "Oma soll umziehen" vom 24. Februar:

Kein Generationendialog

Nils Wischmeyer hat ein paar Vorschläge zur Generationengerechtigkeit beim Wohnen gemacht. Seine Vorschläge suggerieren, dass junge Familien ein Recht auf viel Wohnraum haben, alte alleinstehende Leute eher nicht. Wer mit 65 Jahren oder älter das Pech hat, keinen Partner (mehr) zu haben, soll über eine Alleinwohnsteuer dazu gedrängt werden, überdurchschnittlich großen gemieteten und auch eigenen Wohnraum zu räumen.

Der Lebenstraum von der eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus oder der Mietwohnung im gewohnten Umfeld soll also im Alter enden. Wer nicht verzichtet, soll das teuer bezahlen. Das ist kein Generationendialog, sondern blanke Interessenpolitik.

Dr. Barbara Adler, München

Faktische Enteignung

Ältere Menschen, die in ihrer eigenen Immobilie wohnen, die nach Auffassung von Nils Wischmeyer zu geräumig für sie ist, sollen zum Umzug genötigt werden, um Platz zu machen für jüngere Menschen oder für Familien? Ernsthaft? Hier wird faktisch Enteignung propagiert.

Wohlstand resultiert - nicht immer ausschließlich, jedoch in der Regel und in erster Linie - aus Arbeit, Fleiß und Anstrengungsbereitschaft über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Dass ältere Menschen es am Ende ihres Lebens geschafft haben, komfortabel in ihren eigenen vier Wänden zu leben, verdanken sie in der Regel ihrer Lebensleistung. Dass jüngere Menschen nicht von Anfang an ebenso komfortabel leben können, ist selbstverständlich. Sie müssen sich ihren Wohlstand erst erarbeiten und zunächst in kleineren Wohnungen leben, eventuell aus der teuren Großstadt aufs Land ziehen und die Anzahl ihrer Kinder ihren Lebensverhältnissen anpassen. So jedenfalls haben sich ältere Generationen verhalten, bevor sie es zu bescheidenem Wohlstand brachten.

Wenn wir über Wohneigentum in Deutschland sprechen, sprechen wir nicht über "Volkseigentum", sondern über privaten Besitz. In Deutschland ist es vollkommen legitim, dass die Menschen unterschiedlich viel besitzen - auch Wohnraum.

Simone Remmers, Großwallstadt

Nicht nur auf Senioren schauen

"Darf eine Bevölkerungsgruppe so leben, wie sie will, auch wenn sie anderen damit schadet?" Eine berechtigte Frage, aber keineswegs nur auf Senioren anwendbar. Es gibt durchaus auch Jüngere, die in unverhältnismäßig großen Wohnungen oder Häusern leben. Und wie steht es mit nur sporadisch genutzten Zweit-, Dritt- und Viertwohnungen? Ganz zu schweigen von zu touristischen Zwecken missbrauchtem Wohnraum. Man sieht, es gibt in freien Gesellschaften viele Möglichkeiten, "so zu leben, wie man will, auch wenn man anderen damit schadet".

Dr. Michael Erben-Russ, München

Brutal herausgeklagt

Ich wurde vor eineinhalb Jahren brutal aus meiner etwa 80-Quadratmeter-Wohnung in der Münchner Maxvorstadt herausgeklagt, in der ich über 30 Jahre lang gelebt hatte. Ich bin 84 Jahre alt, herzkrank und seitdem praktisch Nomade, weil ich auf dem überteuerten Münchner Mietmarkt nichts Neues mehr finde. Der neue Wohnungseigentümer sagt, ganz im Wischmeyerschen Sinne, es sei unmoralisch, wenn ich nicht Platz mache für junge Familien. Der Mann, ein Zahnarzt aus Tirol und nicht unbedingt auf Wohnraum in München angewiesen, lässt meine alte Wohnung nunmehr seit über einem Jahr leer stehen. Pures Spekulationsobjekt.

Lieber Nils Wischmeyer, vielleicht bin ich nur eine Ein-Mann-Stichprobe, aber ob die Wohnraumverteilung immer so schiedlich-friedlich zwischen den Generationen abläuft, wie Sie sich das vielleicht ausmalen, kann ich mir nun wieder nicht vorstellen ...

Jochen Malms, Las Palmas de Gran Canaria (Spanien)

Endliche eine altengerechte Wohnung

Warum muss man so ein wichtiges Thema so populistisch angehen? Ich bin ebenfalls der Meinung, dass es möglich sein sollte, dass ältere Menschen gerne Platz machen für die jüngere Generation. Dazu müssen aber Maßnahmen gefördert werden, damit ältere Menschen gerne umziehen. Wo sind die kleinen altengerechten Wohnungen in schöner Umgebung? Wo sind die Generationenhäuser, die Jung und Alt sinnvoll zusammenbringen? Vielleicht wären auch günstige Kredite für den Umbau von Eigenheimen möglich, damit man mit befreundeten Pärchen zusammenziehen kann, bevor man im Alter allein ist.

Den guten Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Man hätte diesen Artikel daher auch positiv formulieren können: Oma bekommt endlich ihre wunderschöne altengerechte Wohnung.

Dagmar Kanitz, Hoppegarten

Kostenlose Umzugshilfe

Ich bin eine 80-jährige Oma, die mit 75 Jahren von einem Fünf-Zimmer-Haus in eine Zweizimmerwohnung umgezogen ist. Und ich bin glücklich! Sicher, ein Umzug ist eine Riesenherausforderung. Meine Kinder haben mir vor allem beim Ausmisten geholfen. Diese Arbeit bleibt ihnen nun nach meinem Tod erspart. Meine Lieblingsstücke habe ich mitgenommen, darauf warten vielleicht meine Enkelkinder. Ihr Artikel hat mich also direkt angesprochen.

Der Staat könnte ein Gesetz erlassen, wie Wohnraum genutzt werden soll, was sicher die Freiheit des Einzelnen sehr einschränken könnte. Aber den Ruf nach einer finanziellen Unterstützung des Staates halte ich für absolut falsch. Was soll der Staat noch alles finanzieren? Hat er nicht schon beim Kauf des Hauses mit Eigenheimzulage oder Baukindergeld geholfen? Wäre es da nicht sinnvoller, wenn die neuen Bewohner der großen Wohnung den Alten einfach selbst beim Umzug helfen würden? Das würde jedenfalls den Steuerzahler nichts kosten.

Ursula Koch, München

Fatales Steuerrecht

Herzlichen Dank für diesen Artikel! Sie sprechen mir aus der Seele. Es war vor nicht allzu langer Zeit üblich, dass die ältere Generation in den sogenannten Austrag zog, also ins Altenteil, wenn die junge übernahm. Zumindest in der Landwirtschaft. Vielen Senioren und Seniorinnen fällt es schwer, sich einen Umzug vorzustellen. Fatal ist aber, dass das Steuerrecht das auch noch unterbindet. Wer Wohneigentum erbt, muss es zehn Jahre lang selbst nutzen, damit es von der Erbschaftsteuer befreit bleibt. Was für ein Wahnsinn! Auch andere Wohnformen wie Wohnen für Hilfe werden steuerlich erschwert. Lieber bauen wir die letzte Wiese zu.

Johanna Sticksel, Marzling

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