SZ-Magazin:Im besten Fall unvorhersehbar

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Die erste Ausgabe des SZ-Magazins vom 11. Mai 1990. Mit 32 Jahren ist es deutlich jünger als die SZ. (Foto: SZ-Magazin)

Gehaltvoll und seriös, aber auch unterhaltsam und komplettem Unsinn gelegentlich nicht abgeneigt - das SZ-Magazin versucht jeden Freitag aufs Neue, seine Leserinnen und Leser zu überraschen.

Von Michael Ebert

Möglicherweise symbolisiert "Sagen Sie jetzt nichts" am treffendsten, wie in der Redaktion des Süddeutsche Zeitung Magazins journalistisch gedacht wird. In dieser berühmten Rubrik, die seit bald 20 Jahren jede Woche weit vorne im Heft erscheint, antworten Prominente pantomimisch auf Fragen und werden dabei fotografiert. Kevin Kühnert: Wann war es schlimmer, Kevin zu heißen - im Kindergarten oder im politischen Berlin? Lenny Kravitz: Wie sagt man einer Frau, dass man sie liebt? Rihanna: Haben Sie schon einmal einen Psychotherapeuten aufgesucht? Denzel Washington: Ihr Vater war Prediger. Wie oft am Tag mussten Sie beten?

Interviews, bei dem die Interviewten kein Wort sagen dürfen? Genau. Ein Kniff, durch den die Prominenten oft mehr von sich preisgeben als in einem ausführlichen Gespräch - und der zum Beispiel auch den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück dazu verführte, auf eine Frage mit einem erhobenen Mittelfinger zu reagieren. Das Foto von Steinbrück erschien während des Bundestagswahlkampfes 2013 auf dem Titel des SZ-Magazins und wurde in Deutschland tagelang heiß diskutiert.

Und so wird in den wöchentlichen Themenkonferenzen der Redaktion nicht nur stundenlang darüber beraten, worüber man berichten sollte, sondern auch wie. Das kann in unterhaltsamen Titelgeschichten zu der Frage enden, wie haltbar eine Bierbank wirklich ist (die Antwort: Einen Elefanten hält sie nicht) oder was passiert, wenn auf dem Cover nichts anderes zu sehen ist als eine geheimnisvolle Handynummer (Antwort: Alle Welt ruft an). Oder es führt zu abenteuerlichen Reportagen darüber, wie Tiere von der Redaktion aus Versuchslaboren und Massenhaltung befreit werden und ausgewachsene Schweine sich zum ersten Mal in echtem Schlamm wälzen können.

Oder diese Konferenzen führen zu einem journalistischen Kraftakt. Als am 6. Mai 2013 der NSU-Prozess beginnt, in dem unter anderem zehn Morde des sogenannten "Nationalsozialistischen Untergrunds" verhandelt werden, entschließt sich die Redaktion, den gesamten Prozess zu protokollieren. Noch nicht ahnend, dass es 438 Verhandlungstage in fünf Jahren brauchen wird, ehe endlich ein Urteil fällt. Die Kolleginnen und Kollegen Annette Ramelsberger, Wiebke Ramm, Tanjev Schulz und Rainer Stadler erhielten für ihre jahrelange Begleitung eines der bedeutendsten Strafverfahren der Nachkriegsgeschichte zurecht zahlreiche journalistische Auszeichnungen - und die "NSU-Protokolle" füllten über die Jahre sechs ganze SZ-Magazine.

Die Schwere des Weltgeschehens - und die Leichtigkeit des Lebens

Einerseits ist die Berichterstattung des SZ-Magazins ebenso gehaltvoll und seriös wie die der Süddeutschen Zeitung. Andererseits hat die Redaktion den Anspruch, ihre über eine Million Leserinnen und Leser jeden Freitag aufs Neue zu überraschen. Mal mit Ideenreichtum und Witz, mal mit wagemutigen Reportagen aus Krisengebieten der Welt, mal mit erkenntnisreichen Wirtschaftsreportagen, mal mit der "Edition 46", der jährlichen Kunst-Ausgabe, die immer im November erscheint, und für die jeweils eine Künstlerin oder ein Künstler von Weltrang exklusive Arbeiten fertigt. So entsteht ein im besten Fall unvorhersehbares Magazin, das immer beides will: die Schwere des Weltgeschehens abbilden - und die Leichtigkeit des Lebens feiern. Dazu gehören natürlich auch: schöne Mode, schickes Design, gutes Essen und der gelegentliche Spaß am kompletten Unsinn.

In den vergangenen Jahren ist das Süddeutsche Zeitung Magazin vermutlich ernsthafter geworden, als es früher war. Das könnte daran liegen, dass das Heft nun schon fast 33 Jahre alt ist, also kein wilder Jungspund mehr. Oder auch daran, dass die Zeiten leider ernster geworden sind. Es wäre seltsam, wenn sich das nicht auch im SZ-Magazin zeigen würde. Immer wieder versucht die Redaktion, jenseits der Nachrichtenlage auch eine "emotionale Aktualität" in der Gesellschaft zu erspüren und in ihren Geschichten abzubilden: Was fühlen die Menschen in Deutschland, in der Welt? Was hält sie nachts wach? Was treibt sie um? Worauf hoffen sie? Es sind nicht die Zeiten, in denen man mit fluffigem Nachtisch-Journalismus besonders weit kommt.

Mit seinem Newsletter-Angebot hat sich das SZ-Magazin dafür in der digitalen Welt noch ein ganz neues Feld erschlossen: "Einfach Leben", "Gesundheit", "Alles Liebe", "Das Rezept" und "Das Beste" heißen die kostenlosen Newsletter, mit denen an fünf Tagen der Woche exklusive Texte und Interviews aus der Redaktion des Magazins an interessierte Leserinnen und Leser versandt werden - zumeist Geschichten, die das Leben leichter und schöner machen sollen. Und spannende SZ-Magazin-Podcasts wie "Die Mafiaprinzessin" haben schon Zehntausende Hörerinnen und Hörer gefunden.

Am kommenden Freitag, fest versprochen, wird wieder ein SZ-Magazin erscheinen. Im besten Fall finden Leserinnen und Leser darin etwas, das sie gar nicht gesucht haben. Und im allerbesten Fall ist es genau das, was sie gerade brauchen.

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