Sprachlabor:Blau lackiert

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Über ein Staccato an Charakterisierungen. Außerdem fragt sich eine Leserin, wann sind die Savannen so lang geworden?

Von Hermann Unterstöger

WAS EIN BUCHSTABE zu viel ausmacht! In einem Text zur Erdgeschichte war zu lesen, dass es in Afrika schon zehn Millionen Jahre früher als gedacht ausgedehnte Graslandschaften gegeben habe. Im Untertitel stand, dass es dort "fast doppelt so lange Steppen und Savannen" gegeben habe, was nicht nur bei unserer Leserin H. die Vorstellung nährte, die Steppen und Savannen seien vorher ziemlich kurz gewesen. Ohne das "e" in "lange" wäre das nicht passiert.

OSKAR KOKOSCHKAS frühexpressionistisches Drama "Mörder, Hoffnung der Frauen" zeichnet sich nicht nur durch eine steile Handlung aus, sondern auch durch harte Figurencharakterisierung: "Der Mann - weißes Gesicht, blaugepanzert, Stirntuch, das eine Wunde bedeckt" oder "Frau - rote Kleider, offene gelbe Haare, groß". Man hat dergleichen lang nicht mehr gelesen, doch wenn das Gefühl nicht trügt, kommt dieser hämmernde Duktus in der jüngeren Reportagenkunst wieder zu Ehren. Um nur eins von vielen Beispielen zu zitieren, so wurde in einer Klimakleber-Geschichte ein Mann - "rosa Poloshirt, Bermudashorts, Autoschlüssel in der Hand" - erwähnt, der mit einer jungen Frau - "Fahrrad, Helm auf dem Kopf" - stritt. Das alles ist zweifellos korrekt, und doch freut man sich, dass Theodor Fontane das Fräulein Honig in "Frau Jenny Treibel" nicht einfach "herb" genannt, sondern als Person eingeführt hat, "deren herbe Züge sich wie ein Protest gegen ihren Namen ausnahmen".

Wie heiter es mit diesem Staccato an Charakterisierungen in den Graben gehen kann, ist unserem Leser Sch. aufgefallen. Eine Kollegin hatte geschildert, wie sie mit Smudo auf dem Nürburgring war. Beim Anblick der dröhnenden Rennwagen war ihr Folgendes durch den Sinn gegangen: "In einem von ihnen, einem Porsche 911 GT3 Cup, wird man später als Beifahrerin sitzen, blau lackiert, mit weiß-türkisen Sprenkeln, und übervoll mit Sponsorenaufdrucken."

Herr Sch. dazu: "Arme Beifahrerin! Blau lackiert und dann auch noch mit weiß-türkisen Sprenkeln!" Hoffentlich hat sie für die Sponsorenaufdrucke keine langfristigen Verträge geschlossen.

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