Sprachlabor:Räkelgefläzt

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Wie Beyoncé jüngst die Wortbildung beeinflusste.

Von Hermann Unterstöger

BEYONCÉ ist "der größte weibliche Popstar des Planeten". So unser Reporter, der bei ihrem Konzert in Köln, einem in summa "anbetungswürdigen Abend", überdies Gesangsnoten registrierte, "die einmal zum Mond reichen und von dort wieder zurückgeworfen werden". Wie Christian Morgenstern schon so treffend sagt: "Dinge gehen vor im Mond, / die das Kalb selbst nicht gewohnt."

Es begab sich aber an diesem wie gesagt anbetungswürdigen Abend noch etwas, und zwar etwas, das Leser L. zum Nachdenken brachte. Unserem Text zufolge entstieg die Sängerin einmal einer Auster, in der sie vorher "räkelfläzte". Herr L. vertritt den Standpunkt, dass es sich bei räkelfläzen um ein reflexives Verb nach Art von sich ereignen oder sich sehnen handle, dass also Beyoncé "sich geräkelfläzt" - oder "sich räkelgefläzt" - habe. Der damit konfrontierte Kollege sieht das anders. Für ihn ist fläzen kein reflexives Verb, und da es als das zweite Wort des Kompositums räkelfläzen über die Kategorie des ganzen Gebildes entscheide, sei das "sich" entbehrlich, und das unbeschadet dessen, dass sich räkeln sehr wohl reflexiv ist.

Heißt es nun fläzen oder sich fläzen? Die Mehrheit der Quellen lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um ein reflexives Verb handelt. Übereinstimmend sagen schon alte Wörterbücher, dass sich hinfläzen so viel bedeutet wie breit daliegen, lagern. Ein neuerer Duden belegt das mit einer Stelle aus den "Neuen Leiden des jungen W." von Ulrich Plenzdorf: "Folglich fischte ich mir mein Malzeug und fläzte mich hinter meine Laube."

Wozu der Lärm, könnte man jetzt fragen, wo doch räkelfläzen ersichtlich eine okkasionelle Neubildung ist, die voraussichtlich nicht in den allgemeinen Wortschatz eingehen wird? Nichtsdestoweniger kann sich das kuriose Verb auf eine durchaus honorige, nämlich expressionistische Ahnenschaft berufen, so zum Beispiel auf grinskeuchen, stöhnschnappen oder schnaufwittern (Arno Holz), auf rollrasseln (Alfred Kerr) und auf fluchbeten (Max von der Grün). Immer wieder schön auch, was Robert Neumann sich einfallen ließ, als er den deutschnationalen Walter Bloem parodierte: funkellächeln, grimmtrotzen und eislachen.

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