Corona-Politik:Was es aufzuarbeiten gilt

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Viel ist geschwärzt, viel wird nun fantasiert: Was wurde wirklich zur Hochphase der Pandemie intern im Robert-Koch-Institut diskutiert? (Foto: Jörg Buschmann/Jörg Buschmann)

Die sogenannten RKI-Protokolle verursachen Wirbel unter Corona-Leugnern, aber auch die SZ berichtete ausführlich. Einige Leser bemängeln: Damit habe sich die Zeitung die Lesart der Verschwörungsszene zu sehr zu eigen gemacht.

"Aufregung um Corona-Protokolle des RKI" vom 26. März und Kommentar "Augen auf und durch" vom 25. März:

Irritierend reißerisch

Als langjähriger und treuer Abonnent nehme ich kleinere Fehler einer generell ambitionierten Tageszeitung hin, auch manchmal mit Augenrollen, aber ohne mich bei Ihnen zu melden. Heute mache ich eine Ausnahme, denn der Artikel auf der Titelseite hat mich stark irritiert. Die Überschrift "Aufregung um Corona-Protokolle des RKI" und der dazugehörige Text sind für mich ein deprimierender Fall von Bild-Niveau, einer SZ nicht würdig. Mein erster Gedanke beim Lesen war: Ist doch klar, dass es damals innerhalb des Robert-Koch-Instituts heftige Diskussionen um das Vorgehen gab, es wäre schlimm gewesen, wenn es sie nicht gegeben hätte, wo ist das Problem? Warum tut die SZ so, als ob es mitten in einer nie da gewesenen Situation etwas Negatives war, sich mit Sinn und Nutzen von Maßnahmen auseinanderzusetzen? Der Tenor des Artikels und seiner Überschrift zeigen in eine fatale Richtung. Hier leistet sich die SZ auf der Titelseite eine deutliche Verbeugung ins Reißerische, die mit Sicherheit von einer diensthabenden Chefredaktion abgesegnet worden ist. Was soll damit erreicht werden?

Gerhard Baumeister, Hergolding

Bereicherungen aufarbeiten

Ich erinnere mich an keine krisenhafte Situation vom Kaliber Corona, bei denen ich den verantwortlichen Politikern zugutehalten würde, dass man hinterher immer schlauer ist. Eine Aufarbeitung erscheint mir dennoch sehr sinnvoll - von den Ergebnissen kann man hoffentlich für zukünftige Fälle lernen.

Dabei können die seinerzeitigen Eifersüchteleien der Wissenschaftler (Christian Drosten versus Hendrik Streeck) ruhig unter den Tisch fallen. Nicht unter den Tisch fallen sollte aber die Frage, warum sich einige Raffkes mit Maskendeals so scham- und maßlos bereichern konnten, ohne dass dies in den meisten Fällen irgendwelche nennenswerten rechtlichen oder finanziellen Konsequenzen hatte.

Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann, Berlin

Ihr Neunmalklugen!

Der Schrei nach Aufarbeitung der Corona-Politik hallt durch den Medienwald. Jetzt, nachdem das Gröbste vorbei zu sein scheint, melden sich diejenigen zu Wort, die immer schon alles besser gewusst haben. Ich frage mich, was ist so schlimm daran, dass Mediziner und Politiker miteinander diskutiert haben, was man gegen eine weitgehend unbekannte Seuche unternehmen soll? Erinnert sich niemand mehr an die Bilder aus Italien mit den Lastwagen voller Särge? Im Nachhinein ist man klüger, auch was das Schließen der Schulen betrifft. Aber wie würden heute die Anklagen lauten, wenn Hunderte Kinder infiziert und auch gestorben wären? Lasst die Kirche im Dorf, Ihr Neunmalklugen!

Dr. Irmgard Hierdeis, Dießen

Allzu optimistisch

Am Ende einer Aufarbeitung der Corona-Politik könne laut Angelika Slavik ein Land stehen, das es wieder gelernt hat, "unterschiedliche Sichtweisen auszuhalten". Das scheint mir allzu optimistisch. Denn aufeinandergeprallt sind ja nicht wissenschaftliche Meinungen, sondern sehr grundsätzlich verschiedene Vorstellungen von individueller Freiheit und den Ansprüchen des Staates. Diese ideologischen Gegensätze können sich, wie man inzwischen gesehen hat, an jedem x-beliebigen Thema wieder neu entzünden.

Trotzdem gäbe es einiges aufzuarbeiten, um für die nächste Pandemie besser gerüstet zu sein. Zum Beispiel die Bevorratung von Masken. Oder die Arbeit der Gesundheitsämter. Oder die Warn-App: Wird etwas Vergleichbares bei der nächsten Pandemie anwendungsbereit vorliegen?

Axel Lehmann, München

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