Paketzustellung:Die schwierigen letzten Meter

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Die Paketzusteller hatten schon vor der Pandemie viel zu tun, jetzt kommen sie mit der Zustellung kaum nach. (Foto: Jan Woitas/dpa)

In Deutschland wird so viel online bestellt wie nie zuvor. Aber wie kommen die Pakete am besten in die Wohnung? Vermieter und Zusteller haben da einige Ideen - nicht alle kommen gut an

Von Ramona Dinauer

In Bademantel und Hausschuhen kommt einer aus dem Home-Office ins Treppenhaus, ein anderer mit Jogginghose. Auf jedem Stockwerk drückt der Paketbote einem Bewohner ein, zwei Schachteln in die Hände. Doch als alle Mieter die Wohnungstüren wieder hinter sich geschlossen haben, bleibt der Bote mit einem Stapel Pakete zurück. So oder so ähnlich spielt sich das Zustellen von Paketen in deutschen Mietshäusern seit der Corona-Krise ab. Während die Logistikunternehmen Sendungen problemlos viele tausend Kilometer um die Welt schicken können, stockt die Zustellung oft auf den letzten Metern. Vermieter und Zusteller überlegen sich daher, wie das Paket am besten in die Wohnung kommt - auch, wenn niemand zu Hause ist.

Die Pandemie hat die ohnehin jedes Jahr leicht steigende Paketmenge stark anwachsen lassen. Statt 1,6 Milliarden Pakete wie noch 2019 versandte zum Beispiel DHL im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Pakete.

Mit etwa 145 000 Wohnungen gehört die LEG zu den größten Vermietern in Deutschland. Damit Pakete einfacher zu den Mietern kommen, hat das Unternehmen im vergangenen Dezember mit dem Online-Händler Amazon ein Pilotprojekt gestartet. Ziel sei, so die LEG, eine "kontaktlose und sichere Paketzustellung". Ein digitales Zugangssystem zu den Häusern lässt die Amazon-Lieferanten ins Haus, sodass sie die Pakete vor der Wohnungstür oder an anderen Orten abstellen können.

Entwickelt wurde das "Key for Business"-System von Amazon. Hierfür wird ein Zusatzbauteil meist an das Stromnetz der Klingelanlage angeschlossen. Dadurch kann das System auch an bereits bestehenden Häusern installiert werden. Das Gerät erstellt dann einen virtuellen Schlüssel, mit dem der Amazon-Fahrer die Tür öffnet - vorausgesetzt, einer der Bewohner hat auch etwas bei Amazon bestellt und ist mit der Zugangs-Variante einverstanden. Dann kann der Bote das Paket etwa im Treppenhaus ablegen.

Bei dem Pilotprojekt hätten die Mieter positiv auf diese Art der Zustellung reagiert, sagt Laura Wagener, Leiterin der LEG-Abteilung Operative Optimierung und Projekte. Deshalb möchte die LEG das Zugangssystem nun in weiteren Wohnanlagen einbauen. Dann würden Nachbarn nicht mehr gestört und der Bote komme mit Sicherheit ins Haus.

Wer Zustellern die Ablage einer Sendung an einem bestimmten Ort erlaubt, also eine Abstellgenehmigung erteilt, ist danach für sein Paket selbst verantwortlich. Der Zusteller haftet dann nicht, falls das Paket vom Ablageort verschwindet. "Deshalb sollte der Ablageort gut vor Wind und Wetter geschützt und nicht einsehbar sein", sagt DHL-Sprecherin Sarah Preuß. Immer mehr Logistikunternehmen bieten außerdem den Service, das Paket im Live-Tracking zu verfolgen oder definieren vorab Zeitfenster für die Zustellung.

Paketboxen, Packstationen, Kofferraum? Nicht alles kommt beim Kunden gut an

Vor allem seit Beginn der Pandemie wünschen sich mehr Menschen eine möglichst kontaktlose Zustellung. Die Deutsche Post setzt vor allem auf ihre Packstationen. An diesen zentralen Paketboxen können DHL-Kunden ihre Sendungen abholen oder verschicken. Etwa 7000 Packstationen sind bereits im Einsatz, 12 500 sollen es bis Ende 2023 werden. Die Paketboten der Deutschen Post können so ihre Lieferungen außerdem schneller ausfahren. Meist stehen die Packstationen vor Supermärkten oder Firmen.

Für die Kunden noch kürzer wäre der Weg vor die eigene Haustür. Allerdings hat die DHL ein vielversprechendes Projekt beendet - den Paketkasten. Zwar werden die gekauften Kästen noch beliefert, seit 2018 aber nicht mehr vertrieben. Zu gering sei die Nachfrage gewesen, sagt Preuß. Auch die sogenannte Kofferraumzustellung, ein Pilotprojekt von DHL und Daimler, kam nicht gut an. Bei der Methode konnten Smart-Besitzer ihre Wagen als mobile Lieferadresse nutzen, doch auch dieses Konzept wurde aufgegeben.

Paketzustellung in den Kofferraum? Der Service "Smart Ready to drop" wurde wieder eingestellt. (Foto: Daimler AG/dpa-tmn)

Seit vergangenem Jahr stellt die DHL auch in vor Wohnhäusern angebrachten Paketkästen anderer Hersteller zu. Im hauseigenen Paketkasten hingegen dürfen nur DHL-Pakete landen, womöglich auch ein Grund, warum das Projekt eingestellt wurde. Eine Problematik, die sowohl Paketboxen als auch Zugangssysteme betrifft. Installiert der Zusteller das System, haben meist andere Zusteller keinen Zugriff darauf. Dabei sparen Paketdienste wertvolle Zeit auf der letzten Meile bei der Zustellung in Paketanlagen - egal, zu wem sie gehört.

Einer der größten Verkäufer von Paketsystemen in Deutschland ist die Paketin GmbH. Vor mehr als 1000 Wohnhäusern in Deutschland stehen die Anlagen, deren Schließsystem Jörg Hänel entwickelt hat. Mit einem Smartphone oder einer Pin kann jeder die Paketbox öffnen, der eine Abstellgenehmigung vom Empfänger erhalten hat. Egal ob Amazon-Bote oder guter Freund. Für das erwartete DHL-Paket kann zum Beispiel die Pin der Paketin-Box in der zweiten Adresszeile angegeben werden.

Die Bewohner zahlen pro Zustellung 50 Cent

"Besonders bei den Wohnungsunternehmen ist das Bewusstsein für die Thematik gestiegen. Bei immer mehr Neubauten versucht man Paketsysteme zu realisieren", sagt Hänel. Vor allem Projektentwickler, Bauträger, Architekten oder Wohnungsunternehmen zählen zu den Kunden von Paketin. Für knapp 10 000 Euro installiert das Unternehmen eine Anlage mit 44 Briefkästen und fünf Paketkästen. Laufende Kosten trägt der Eigentümer nicht, sobald das Paketsystem einmal steht. Stattdessen zahlen die Bewohner pro Zustellung 50 Cent.

Für Paketboxen direkt vor dem Haus meldeten sich zwischen 70 und 100 Prozent der Mieter für das System an, sagt Hänel. Etwa die Hälfte seiner Paketsysteme werden an bestehenden Häusern installiert. Besonders gut eigne sich dafür der Platz unter den Briefkästen. Denn die beginnen oft erst auf einer Höhe von 70 Zentimetern. Oben Briefe, unten Pakete. Hauptsächlich verkauft Paketin seine Anlagen für Mehrparteienhäuser. Denn eine Paketin-Box für ein Einfamilienhaus koste etwa 1000 Euro. Deutlich günstigere Varianten von Paketbriefkästen verkaufen andere Hersteller. Einen mobilen Paketsack beispielsweise, der an die Haustür gehängt wird, gibt es für unter hundert Euro. Einen fest installierten Paketkasten etwa ab 200 Euro.

Vor allem die Jüngeren sind für neue Service-Angebote aufgeschlossen

Ob Metallkasten mit elektrischem Türöffner oder digitales Zugangssystem zum ganzen Haus - bisher werde nur bei einem kleinen Teil der Neubauten die Paketzustellung eingeplant, berichtet Hänel. So plant beispielsweise die Instone Real Estate Group, ein Projektentwickler für Wohnimmobilien, je nach Gegebenheiten vor Ort Paketsysteme ein. Einheitliche Standards gebe es noch nicht. In einem Ende 2020 fertig gestellten Wohnquartier in Berlin installierte Instone eine Packstation im Eingangsbereich. Für ein Appartementhaus in Bonn sei eine Paketanlage mit App-Steuerung geplant.

Bei Verbrauchern ist das Interesse offenbar groß. Laut einer Studie des deutschen Digitalverbands Bitkom kam 2019 für knapp 60 Prozent der Befragten eine persönliche Paketbox infrage. Unter den Jüngeren waren es sogar Dreiviertel der Befragten. 13 Prozent gaben an, ihre Online-Bestellungen an eine Packstation liefern zu lassen.

Damit Pakete nicht nur leichter in die Häuser gelangen, sondern sie auch von dort verlassen, hat Sarah Preuß von der Deutschen Post übrigens noch einen Tipp: "Wer einen Paketboten beim Ausladen auf der Straße sieht, kann ihm einfach sein frankiertes Paket mitgeben."

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